: Feuer und Flamme für Uni-Kürzungen
UNIVERSITÄT Mit 24 Stunden Vorlesung am Stück protestieren Studierende und Uni-MitarbeiterInnen gegen die geplanten Stellenkürzungen. So wollen sie zeigen, was in der Lehre alles verloren gehen würde
KARSTEN WOLF, PROFESSOR FÜR MEDIENPÄDAGOGIK
Ein lauter Knall und Flammen im Uni-Hörsaal: Der Fachbereich Anorganische Chemie hat gerade eine von 80 symbolischen Vollzeitstellen gesprengt und die Studierenden jubeln. Sie haben an diesem Montagmorgen noch einiges vor sich – 24 Stunden Vorlesungen aus fast allen Fachbereichen stehen auf dem Programm.
Mit diesem Ausdauer-Beweis wollen Studierende und Uni-Mitarbeiter ein Zeichen setzen gegen die geplanten Kürzungen von 90 Stellen in Lehre und Verwaltung. „Wir wollen lernen, nehmt uns nicht die Möglichkeit dazu“, sagt Sven Verlaat, ein Organisator der Veranstaltung. Die Proteste der letzten Wochen hätten zwar bereits zu einer Rücknahme der ursprünglich geplanten 130 Kürzungen geführt, die Lage sei aber weiterhin ernst.
Vorne zerlegen die Chemiker weitere Stellen: Traurig guckende Styropormännchen werden in Aceton ertränkt, verbrannt oder in Schwefelsäure aufgelöst. Eine Präsentation im Hintergrund erläutert die chemischen Prozesse, die Effekte sind aber beeindruckender. „So schön kann Stellenabbau sein“, ruft eine Studentin im Publikum als ein Männchen in Flammen aufgeht.
Nicht alle Veranstaltungen thematisieren die Kürzungen so ausdrücklich. Karsten Wolf, Professor für Medienpädagogik, hat zuvor eine Vorlesung über selbst gemachte Erklärvideos im Internet gehalten: „Ich freue mich über die seltene Gelegenheit, fachlich zu einem derart interdisziplinären Publikum sprechen zu können.“ Ein bisschen unterhaltsam solle es aber natürlich auch sein. Als die Studierenden ihn gefragt hätten, ob er sich an der Aktion beteiligen wolle, habe er selbstverständlich zugesagt: „Das ist eine schöne und vor allem konstruktive Veranstaltung, die zeigt, was Lehre alles bedeutet und was da kaputtgespart wird.“
Dass so viele Professoren und Dozenten zugesagt haben, ist für Verlaat nicht selbstverständlich. Es sei noch völlig unklar, welche Lehrenden von den Kürzungen betroffen sein werden. „Das sind interne politische Entscheidungen und es ist schön, wenn hier nicht jeder versucht, seine eigene Position zu retten, sondern alle gemeinsam solidarisch protestieren.“
Für den Abend ist neben der Wissenschaft auch Kulturprogramm geplant: Der Hochschulchor singt internationale Lieder aus Deutschland, dem Süden Afrikas, der Türkei, der Ukraine und China. Es wird Suppe gekocht und der Kaffee gratis ausgeschenkt. „Sonst hält das ja keiner durch“, sagt einer der Organisatoren.
Während die Chemiker ihre Trümmer beseitigen, verlässt gut die Hälfte der 120 ZuhörerInnen den Hörsaal. „Ich würde gerne bleiben, aber ich muss ins Seminar“, sagt die 22-jährige Marina. Sie hätte im Studienalltag auch sonst viel zu wenig Zeit für politische Aktionen. Wiederkommen will sie aber. Spätestens in der Nacht um zwei Uhr, wenn die Kulturwissenschaftlerin Julia Schlecht über Zombis sprechen wird. Und zur Demo am Mittwoch natürlich: „Was wir hier machen, soll ja auch in der Stadt sichtbar bleiben.“Jan-Paul Koopmann