die taz-empfehlung : Fluchen auf Polnisch
Sie soll den Text in einer einzigen Nacht heruntergeschrieben haben, kurz vor dem Abi, mit 18 Jahren. „Schneeweiß und Russenrot“ jedenfalls heißt der 2002 edierte Roman der 1983 geborenen Polin Dorota Masłowska, die binnen kürzester Zeit zum Shooting-Star wurde. Tatsächlich hat sie den Text derart ergiebig mit Jugend-Slang gespickt, dass er wirkt wie live auf der Straße abgehört.
„Der Polnisch-Russische Krieg unter weiß-roter Fahne“ lautet der polnische Originaltitel, und der sprichwörtliche polnische Russen-Hass ist hier keine Pose: Das Porträt einer jahrzehntelang durch den großen Bruder gebeutelten, seit dem EU-Beitritt zutiefst verunsicherten Generation zeichnet die in Krakau lebende Autorin, die selbst in einer Plattenbausiedlung aufwuchs und „einfach aufschrieb, was ich gehört habe“, so ihre Worte.
Der jugendliche Andrzej der „Starke“ ist Held des mehrfach preisgekrönten und vielfach übersetzten Romans. Seine Freundin hat ihn gerade verlassen; fröhlich macht ihn das nicht: Ein vor Flüchen strotzender Monolog über Gesellschaft, Leben, Tristesse und Kultur bricht aus ihm hervor, den man auf Polens Straßen so immer noch nicht hinauszuschreien wagt. Eine atemlose Suche nach Speed und Sex treibt den auch von allen Werten Verlassenen um.
Kaum erstaunlich also, dass die älteren polnischen Intelligenzler den Roman als Sittenverfall, die jüngeren als Abbild der Realität empfinden. Genauer: als Porträt einer Gesellschaft, die sich weiterhin vom russischen Nachbarn abzugrenzen sucht und zugleich changiert zwischen der Sucht nach dem Westen und der Angst vor dem Ausverkauf von Land und Identität. PS
heute, 20 Uhr, Pony Bar, Allendeplatz 1