: Gegen den Kunstmarkt-Irrsinn
SIEBDRUCK Der Siebdruck ist wieder da. Beim Druck Berlin-Festival im Stattbad Wedding kann man Siebdrucke von Banksy, Blu und anderen Street-Art-Meistern sehen. In Workshops lässt sich die Technik ausprobieren
VON JENS UTHOFF
Es ist kein Wunder, dass die großen Namen in dieser Ausstellung aus dem Bereich der Street Art kommen: Banksy, Shepard Fairey, Blu. Von ersterem, Banksy, ist das berühmte Motiv des „Flying Copper“ zu sehen: Ein Polizist mit Smiley-Gesicht, Maschinengewehr in den Händen und Engelsflügeln. Auch Shepard Fairey, der im US-Wahlkampf 2008 jenes signifikante Bild mit Obamas Konterfei streute („Hope“), erkennt man sofort an dessen Stil: Nun ist es der große schwarze Haarschopf von Angela Davis, den man an der Galeriewand prangen sieht.
Blu wiederum kennt man in Berlin ohnehin bestens, wenn vielleicht auch nicht dem Namen nach: Blu hat etwa in der Nähe der Oberbaumbrücke die beiden überdimensionalen Arbeiten „Shackled by Time“ und „Big Baby“ kreiert. Letztere bedeckt eine ganze Brandmauer und zeigt eine große Figur, die aus lauter kleinen, nackten, glatzköpfigen Männchen besteht. Von Blu sieht man in der Schau im Stattbad Wedding eine Siebdruck-Variante seines großen begehbaren Kopfes, der 2008 am Tate Modern in London prangte.
„Durch den durchschlagenden Erfolg der Street Art hat der Siebdruck wieder enorm an Popularität gewonnen“, sagt Dolly Demoratti, die gemeinsam mit Guillaume Trotin von der Open Walls Gallery Druck Berlin im Stattbad kuratiert. „Im Bereich der Street Art wird diese Technik eben auch oft genutzt. Nun wird der Siebdruck niemals sterben“, sagt sie und lächelt.
Druck Berlin ist ein internationales Festival, das derzeit zum zweiten Mal stattfindet. Neben der Ausstellung „Meister des Siebdrucks“, in der sich Blu, Banksy und Co. tummeln, ist das Festival vor allem eines des Selbstmachens und Ausprobierens: An beiden kommenden Wochenenden gibt es fast durchgehend Workshops mit Siebdruck-Künstlern; auch mit Kindern kann man die Ausstellung gut besuchen, denn sie können das Verfahren genauso ausprobieren. „Ich habe mal ein Seminar in London besucht, bei dem es darum ging, dass das Produzieren von Kunst ein Teil jeder Ausstellung werden sollte“, erklärt Demoratti. Diese Erfahrung hat die Künstlerin zum Festivalkonzept gebracht.
Die Kuratorin hat in London in der Pictures On Walls (POW)-Ladengalerie Siebdruck erlernt, wo sie auch von Banksy-Originalen umgeben war – die 27-Jährige mit den kurzen abrasierten Haaren arbeitet seither vorrangig mit dieser Technik: „Ich bin ein bisschen süchtig danach. Damit es bis ins letzte Detail perfekt wird, brauchst du einfach sehr viel Wissen und musst akribisch, genau und geduldig arbeiten.“
Beim Siebdruck arbeitet man mit einem Rahmen, über den ein extrem feines Gewebe (etwa aus Gaze, Seide, Nylon) gespannt ist. In der Regel überzieht man es dann mit einer lichtempfindlichen Substanz, und das gewünschte Motiv kann, ähnlich wie im Fotolabor, auf das Gewebe übertragen werden. Durch das Sieb hindurch, das dann dem Motiv entsprechend in einigen Poren undurchlässig ist, wird die Farbe auf Stoff, Papier oder Leinwand aufgetragen.
Die Technik ist zum einen sehr einfach zu erlernen, kann zum anderen aber auch ungeheuer komplex sein, wenn man etwa Werke 17-farbig gestaltet, wie es in der Ausstellung der Meister zu sehen ist. Die Schau zeigt die gesamte jüngere Generation von Siebdruck-Künstlern, die Ära nach Andy Warhol und Roy Lichtenstein.
Demoratti teilt dabei das Kunstverständnis vieler heutiger Street Art- und Siebdruck-Künstler: „Banksy und Shepard Fairy etwa nutzen den Siebdruck ja auch in dem Sinne, dass jeder es sich leisten kann, ihre Kunst zu kaufen. Sie wollen, dass ihre Kunst die breite Bevölkerung erreicht.“ Zuletzt soll Banksy in New York Drucke für 45 Euro verkauft haben und einige nicht losgeworden sein – einen besseren Kommentar auf den Kunstmarkt-Irrsinn der Gegenwart kann man sich kaum denken.
Beim Druck Berlin Festival, das bisher „gigantisch“ gut besucht war, wie Demoratti berichtet, werden die Drucke von Shepard Fairy oder Blu, obgleich sie um ein Vielfaches teurer sind, sicher auch nicht mehr allzu lange an der Galeriewand auf einen Käufer warten.
■ Stattbad Wedding, Gerichtstr. 65. Bis 22. Dezember. Freitags bis sonntags 12–19 Uhr. Durchgehend mit Workshops. Tagesticket 5 Euro, Wochenendticket 10 Euro, Festivalticket 15 Euro
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