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Archiv-Artikel

Sieht aus wie Corporate Identity

DESIGN Zeitgenössisches Grafikdesign aus zwei Städten zeigt „The Art of Conversation: London–Berlin“ in der Galerie Program

Da werden Tonstörungen vorgegaukelt, Verweigerungshaltungen erprobt, da dreht sich unversehens die Kamera auf einem Plattenteller

Nicht nur Flyer und Katalogheft sind farblich auf das Gesamte abgestimmt. Auch der Ausstellungsraum ist entsprechend diagonal halb blau, halb lachsfarben gestrichen. Es sieht nach Corporate Identity aus. Es könnten Grafikdesigner unter den Anwesenden sein. Und so ist es auch.

Über die beiden Farbflächen im Raum der Galerie Program in der Invalidenstraße verteilen sich zwanzig zwei- und dreidimensionale Arbeiten. Die Grafikdesignbüros Inventory aus London und Bank (TM) aus Berlin hatten 20 weitere Büros, davon 10 aus Berlin und 10 aus London, zu einem Spiel nach Stille-Post-Prinzip eingeladen. Um die Unterschiede der beiden städtischen Grafikdesignszenen im Pingpongprinzip auszuloten, fädelte man mit dem Projekt „The Art of Conversation: London – Berlin“ (www.theartofconversation.org) eine Kommunikationskette zwischen beiden Städten auf.

„Extend your ideas into space“ lautete der Auftrag, den die beiden Berliner Projektkuratoren von Bank (TM) per Skype-Video-Chat an das Londoner Büro Eat Sleep Work/Play vergaben. Im Chat ließen sie einen Ballon aufsteigen. Zur Inspiration schenkten sie den Kollegen außerdem eine Fahrt mit einem Heißluftballon. Diese hatten dann drei Tage Zeit, den Auftrag zu interpretieren und ein Exponat für die im Mai bereits in London organisierte und nun in Berlin zu sehende Ausstellung zu erarbeiten. Jetzt hängt ein Miniaturheißluftballon in der Galerie. Auf dessen Gondel liegen kleine Plakate, auf denen unter anderem Luftfahrzeuge der Gebrüder Montgolfiere zu sehen sind. Eat Sleep Work/Play kontaktierten wiederum nach Dreitagesfrist mit ihrer Interpretation des Auftrags das Büro Slang in Berlin, dieses wiederum Value und Service in London und so weiter. Nach 20 Skypedialogen erreichte die Kette ihr Ende.

Unter den Arbeiten, die die GrafikdesignerInnen, meist in ihren Zwanzigern und Dreißigern, dabei produzierten, sind im Raum kreisende Modellflugzeuge (von blotto). Multistorey lieferten eine handgetriebene Techno-Rhythmusmaschine aus Camping- und Küchengegenständen. 123buero zeigt alle erhaltenen ausgedruckten PraktikantInnenbewerbungen. Node bastelte Remakes von Arbeiten der beteiligen Büros.

Oft wurden die Objekte und Papierarbeiten im Schnellschuss erdacht und angefertigt, der Kontext ist nicht immer unbedingt klar. Und so ist aufschlussreich, wenn man sich (im Internet oder der Ausstellung) die aufgezeichneten Skype-Dialoge ansieht. Da werden die Konversationen mit performativen Aspekten gespickt, da werden Tonstörungen vorgegaukelt, Verweigerungshaltungen erprobt, da dreht sich unversehens die Kamera auf einem Plattenteller. All dies ist vergnüglich und kurzweilig. Vor allem aber ist hier ein sehenswertes Dokument der Arbeits-, Präsentations-, und Kommunikationsmodi aktuellen Grafikdesigns entstanden.

Als Nächstes könnte „The Art of Conversation: Amsterdam– Berlin“ anstehen, dann vielleicht auch im Pingpong zwischen Grafikdesignern und Musikerinnen. Man kann sich das Prinzip durchaus noch einige Runden lang vorstellen, ohne dass das Zusehen beim Denken langweilen würde.

MARTIN CONRADS

■ Program, Invalidenstr. 15, Mitte. Di.–Sa., 14–19 Uhr, bis 3. Juli