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Archiv-Artikel

Waffentests am Badestrand

Der Bremer Rüstungskonzern Atlas Elektronik will Unterwasser-Drohnen testen, die auch zur Sprengung von Seeminen eingesetzt werden – im Werdersee, dem beliebtesten Naherholungsgebiet im Zentrum der Stadt. Stadtteil-Politiker sind entsetzt, das Friedensforum will protestieren, der Umweltsenator prüft noch

aus Bremen Armin Simon

Ein „Testlauf“ soll es sein. Beteiligte: „Seefuchs“ und „Seewolf“ sowie ein motorisiertes Begleitboot. Organisator: die Bremer Rüstungsfirma Atlas Elektronik GmbH.

Von einem „Missbrauch“ sprechen Friedensorganisationen und Stadtteil-Politiker, und das hängt mit dem Ort des Geschehens zusammen: dem Bremer Werdersee, einen Katzensprung vom Dom entfernt. Kilometerlange Ufer, genutzt als Sonnenwiese, Grillzone, Skaterbahn. Der See selbst ist bei Hochwasser Bypass für die Weser, im Sommer Planschbecken für die Kleinen, Naturbad, Ruderstrecke, Luftmatratzen-Eldorado für die Großen. Eine Oase mitten in der Stadt. Und demnächst eine Art militärisches Testgebiet.

„Das ist ein völliges Unding, was da laufen soll“, empört sich Joachim Fischer von der Deutschen Friedensgesellschaft in Bremen: „Da könnte man gleich Übungsschießen im Bürgerpark veranstalten.“ Und der vertraulich tagende Koordinierungsausschuss des Stadtteilbeirats Neustadt, der die Anfrage von Atlas Elektronik vor wenigen Tagen auf dem Tisch hatte, beschied sie mit einem klaren Nein. Denn „Seewolf“ und „Seefuchs“ sind so genannte Unterwasser-Drohnen, kleine, unbemannte U-Boote, die auch autonom agieren können, batteriebetrieben, ausgestattet mit Propellern und Hubtriebwerk, Sonar und Kamera. Die militärische Variante legt bis zu 10 Kilometer in der Stunde zurück und ist bestückt mit einer „großkalibrigen Sprengladung“ von bis zu 30 Kilogramm. Ferngesteuert soll sie sich Minen nähern, die im Wasser schwimmen, am Grund liegen oder schon im Schlick versunken sind, und diese dann anschießen. Ein Kamikaze-Job.

Die explosiven Einweg-Tauchobjekte waren einst maßgeblicher Teil des Projekts „Minenjagd 2000“, das die Seeminenabwehr der Deutschen Marine verbessern sollte und an dem neben der Bremer Atlas Elektronik und der EADS auch die Werften Lürssen und Abeking & Rasmussen im benachbarten Lemwerder beteiligt waren. Für die US-Navy entwickelte die Bremer Rüstungsschmiede sogar eine vom Helikopter aus abwerfbare Variante.

Nachdem die „Minenjagd 2000“ vergangenes Jahr dem Rotstift zum Opfer fiel, rüstet Atlas Elektronik nun die niederländische und belgische Marine mit einem Integrierten Minenbekämpfungs-System aus. Und entwickelt daneben zivile Anwendungen für die schwimmenden Unterwasser-Gefährte. Staumauern und Schiffsrümpfe könne man damit inspizieren, sagt Firmensprecher Jörg Huthmann, Schmuggelware entdecken und Häfen sicherer machen – je nach Ausrüstung eben.

Bei den geplanten Tests im Werdersee sei kein Sprengstoff im Spiel, versichert der Firmensprecher. Derlei Versuche fänden nur in militärischen Sperrgebieten statt. „Wir werden den Teufel tun und in öffentlichen Gewässern irgendwas Militärisches erproben.“ Es gehe allein darum, das Fahrzeug an sich und eine neue Steuersoftware zu testen. Dafür wolle man mit einem Motorboot sowie den beiden Drohnen an der Neustadt-Seite des Werder-Sees entlangfahren. Der Schwimmbetrieb auf der gegenüberliegenden Seite des Sees werde nicht beeinträchtigt. Huthmann: „Jedwede Gefährdung ist ausgeschlossen.“

„Technik ist nie 100-prozentig“, hält Joachim Fischer dem entgegen. Insbesondere im Sommer – der Drohnentest ist an zwei Tagen in der letzten Juniwoche geplant – werde der gesamte See von Schwimmern intensiv genutzt. „Ich bin da auch manchmal drin“, sagt Fischer: „Man stelle sich nur einmal vor, das Ding gerät außer Kontrolle.“

Zwar sei die Minenräumung im Meer „erstmal ’ne gute Angelegenheit“, räumt Fischer ein. Die Einsatzmöglichkeiten der Drohnen jedoch gingen weit über zivile oder gar Abrüstungs-Zwecke hinaus. So kann der „Seewolf“ laut Firmenprospekt auch jenseits der Minenräumung für „autonome Einsätze militärischer Art“ eingesetzt werden. Und für den „Seefuchs“ gilt: „Das Einwegkonzept erweitert den operativen Gefechtsrahmen.“ Das Bremer Friedensforum will heute über mögliche Aktionen beraten.

„Erhebliche Probleme“ mit dem „Testlauf“ haben auch die Stadtteil-Politiker aus der Bremer Neustadt. Dem Antrag von Atlas Elektronik könnten bald weitere folgen, auch andere wollten das „heilige Naherholungsgebiet“ dann für kommerzielle oder gar militärische Interessen nutzen, gibt Ortsamtsleiter Klaus-Peter Fischer die Befürchtungen wieder. Wo man doch, der naturnahen Naherholung zuliebe, selbst Surfschulen, Cafés, Hotels und Tretbootverleihe am See abgeblockt habe.

Normalerweise erprobt Atlas Elektronik seine Unterwasser-Drohnen und anderen Entwicklungen in einem firmeneigenen See mit Zugang zur Weser, unweit des Sportboothafens in Bremen-Hemelingen. „Wir haben überhaupt keine Not, in öffentliche Gewässer zu gehen“, sagt Huthmann. Außer im aktuellen Fall, bei dem die Steuer- und Orientierungsfähigkeit der Drohnen über längere Strecken getestet werden soll: Dafür sei der firmeneigene See mit gut 200 Metern Kantenlänge zu klein, andere Tauchgebiete zu weit entfernt. Die beantragte Teststrecke im Werdersee zwischen Deichschart und Erdbeerbrück ist gut zwei Kilometer lang.

Ob die Drohnen im Werdersee tauchen dürfen, entscheidet letztlich das Bremer Umweltressort, das auch das ablehnende Votum des Beirats übergehen könnte. Der Antrag werde derzeit „ergebnisoffen geprüft“, so Ressort-Sprecher Holger Bruns. Voraussetzung für eine Genehmigung sei jedoch, dass die Naherholung am See nicht beeinträchtigt werde. „Wenn da Probleme sind, dann geht es eben nicht.“