: Essen wie die Basken
SAN SEBASTIÁN Die baskische Küche baut nicht nur auf Tradition. Sie kann auch höchst innovativ und modern sein
■ Die Restaurants: Arbelaitz, Paseo Mikeletegi 51, Tel. +34-9 43-30 82 20, arbelaitz@arbelaitz.com, www.arbelaitz.com, Txuleta, Plaza de la Trinidad 2, Tel. +34-9 43-44 10 07, www.txuletarestaurante.com, Arzak, Avenida Alcalde Elosegui 273, Tel. +34-9 43-27 84 65, www.arzak.info ■ Pintxo-Tour: Eine geführte Tour durch die Bars von San Sebastián auf Spanisch und Englisch bietet San Sebastián Tourismus, Boulevard 8, Tel. +34-9 43-48 11 66, www.sansebastianturismo.com, reservas@sansebastianreservas.com ■ Weitere Informationen: Spanisches Fremdenverkehrsamt, www.spain.info
VON EDITH KRESTA
Gesang dröhnt aus der Bar. Eine Sevillana, begleitet von einer Gitarre. An einem langen Tisch speist eine zwölfköpfige Männergesellschaft. Ein Kochclub, eine sogenannte Toxos. Zweihundert davon gibt es in San Sebastián, 60 allein in der Altstadt, rund 2.000 im ganzen Baskenland. Eine solche kulinarische Gesellschaft ist ein Stammtisch, bei dem gekocht wird. Nur von Männern. Dazu braucht es ein paar Freunde, ein gemietetes Lokal ohne Ladenschluss, eine Satzung.
Wir linsen durch die offen stehende Tür. Der Gitarrenspieler winkt uns heran, bietet ein Gläschen Pacharán an, ein Schlehenlikör auf der Basis von Anis.
„Gekocht werden traditionelle Gerichte, aufwendige Gerichte“, erzählt uns der freundliche Herr. Heute gibt es Caza (Wild) mit einem guten Wein aus Rioja Alavesa, in Rotwein gegarte Pfirsiche und Birnen, Panchineta de Tolosa (mit Creme gefüllte Blätterteigteilchen), Tostadas de crema (die der Leche Frita, dem gebratenen Pudding, entspricht) und dazu noch Spinatkuchen.
„Frauen hatten bis vor Kurzem keinen Zutritt zu den kulinarischen Treffen, heute werden sie ab und zu eingeladen“, sagt Carmen Baz, unsere Begleiterin beim Gang durch die Altstadt von San Sebastián. Die Kochgesellschaften als letztes Reservat des Machismo?
„Männerfreundschaft wird unter Basken sehr großgeschrieben“, weiß Carmen Baz. „Am wenigsten Sex in Spanien haben deshalb die Basken, sagt man, weil sich hier Männer und Frauen kaum miteinander die Zeit vertreiben.“ Carmen Baz muss es wissen. Sie ist in Donostia, San Sebastián, geboren.
Dafür essen die Basken offensichtlich umso leidenschaftlicher. An den Tresen der Bars in der Straße Fermín Calbetón, mitten in der Altstadt, stehen überall kleine Männergruppen. Sie verspeisen im Stehen von einem Büfett Minirationen, Pintxos genannt.
Dazu trinken sie ein Zurito (Bierchen) oder einen Txakolí, den typischen süffigen Weißwein aus dem Baskenland. Stockfisch, Chorizo, gebratene salzige Paprika, Sardinen, Quittengelee mit Ziegenkäse, Melanzani-Potpourri, luftgetrockneter Schinken mit Champignons und weichem Lauch, Fischfilets mit geschmolzenem Käse – die Fantasie für die kleinen Köstlichkeiten kennt keine Grenzen.
Beim jährlichen Pintxos-Wettbewerb in San Sebastián geht es darum, wer die köstlichsten dieser belegten Brote kreiert.
San Sebastián verfügt – hochgerechnet auf seine Bevölkerungszahl – über die weltweit größte Dichte an Michelin-Sternen. Und das steht dieser Stadt im äußersten Norden der iberischen Halbinsel gut.
San Sebastián mit seiner Belle-Époque-Architektur ist eine elegante, eine schöne Stadt. An der Bucht La Concha (die Muschel) gelegen und begrenzt durch die Felsmassive des Monte Igueldo und des Monte Urgull, erinnert es an Rio. San Sebastián ist ein anspruchsvoller Badeort mit viel Lebensqualität.
Nur in kleinen Andeutungen zeigt sich hier dem Fremden, dass das Baskenland mitunter ein konfliktreiches Pflaster ist. An einem Balkon in der engen Altstadt sind Fahnen zu sehen, auf denen eine Silhouette des Baskenlands mit der Aufschrift „Euskal Prescak, Euskal Herrira“ zu sehen ist. Sie fordern, dass die rund 800 in spanischen Gefängnissen sitzenden ETA-Gefangenen ins Baskenland zurückgebracht werden.
Doch Basken reden viel lieber über das Essen. Immer wieder über das Essen und das Kochen. Wir gehen zum Taller de Pintxos in der Altstadt. Diese Kochwerkstatt bietet Kurse für Einheimische, Jugendliche, aber auch für Touristen.
Wir probieren uns an gefüllten Paprikaschoten, an Bacalao – Trockenfisch al pil-pil und Chipirones – gefüllte Tintenfische. Die Köchin Noemi Gonzales weist uns ein. Sehr viel Olivenöl, viel angebratener Knoblauch – wir kommen den wohlschmeckenden Ingredienzien der baskischen Küche immer näher.
Luis Mokoroa, der Chef der Kochwerkstatt, erzählt von der Bewegung der neuen baskischen Küche, die in den 70er Jahren begann, um die Kochtradition mit ihren vielfältigen Einflüssen zu erhalten.
„Genuss und Gastronomie sind ganz wesentlicher Teil unserer Kultur“, sagt er. „Es ist ein Konzept, das eng mit dem verknüpft ist, was unser Land bietet.“ Und das sind die Früchte aus dem Meer, der Schafskäse aus den Bergen und das Fleisch der Rinder, die auf den grünen Hängen des Baskenlands weiden. Das Baskenland ist ein Allgäu mit Meer.
Die Traditionsverbundenheit der Basken zahlt sich in der Küche aus. So fährt in San Sebastián wie in anderen Fischerhäfen noch immer eine kleine bunte Fischerflotte täglich aus, um frischen Fisch für die anspruchsvollen Gaumen zu fangen. Steinbutt, Meerbrasse, Seehecht, Stöcker und Seeteufel immer frisch auf den Tisch.
Förderer, Initiator und Flaggschiff der neuen baskischen Küche ist Juan Mari Arzak, dessen Name überall respektvoll gehaucht wird. Er ist der unbestrittene Großmeister. Wir besuchen sein Restaurant, das zu einem der weltbesten geadelt wurde.
Juan Mari Arzaks Restaurant befindet sich in einem Herrenhaus, das schon 1897 als Weinkeller und Taverne von seiner Familie bewirtschaftet wurde. Heute betreibt Arzak sein Restaurant zusammen mit seiner Tochter Elena.
Sie empfängt uns in Arbeitskleidung. „Wir experimentieren jeden Tag aufs Neue und arbeiten am Geschmack“, sagt sie.
Mit Starkoch Feran Adria tauschen sich die Arzaks aus, ein Koch des Adria-Teams sitzt im Kochlabor der Arzaks.
„Ich und mein Vater sind Leiter eines Teams von Alchimisten, welche die Kochkunst entschlüsseln“, sagt Elena, die Alleinerbin der Arzak-Küchenkosmos. Eines ihrer Grundprinzipien: „Das Menu eines großen Restaurants sollte jeden Tag neu gestaltet werden. Grundlagen sind immer die Produkte der jeweiligen Saison, die dann neu komponiert werden.“
Heute gibt es unter anderem Fisch des Tages, gebratenen Spargel mit Farbe, Erbsen, Dicke Bohnen und Kartoffeln, zum Nachtisch Käseeis mit Johannisbeeren. Unspektakuläre Produkte, die dann jedoch als Mega-Überraschung für Auge und Gaumen serviert werden.
„Zu uns kommen nicht nur Manager und Firmenbosse“, sagte Elena. „Bei uns essen die Einheimischen zu Festtagen oder zu irgendeinem anderen Anlass. Und das ist gut so.“ Das Arzak als Belohnung. „Darauf wird durchaus gespart“, weiß Elena.
„Schlechte Qualität, schlechte Küche haben bei uns keine Chance, weiß auch Ander Escarte Abrego, der ehemalige Chefkoch des Fußballclubs Real Madrid. Sein Restaurant Txuleta im Zentrum der Altstadt zählt zu den besten der Stadt. Und wie im Arzak geht es auch hier nicht snobistisch teuer zu.
Bodenständig wie ihre Produkte erscheinen die Toprestaurants von San Sebastián. Geerdet. „Jeder soll kommen. Bei uns gibt es nicht die sozialen Unterschiede“, behauptet auch Joxe Mari Arbelaitz. Sein Restaurant mit einem Michelin-Stern ist um die Mittagszeit gut besucht.
„Die Leute aus San Sebastián essen gerne draußen. Und sie verstehen was vom Essen“, sagt er. Sein Pflichtkodex: „Erstklassiges und frisches Rohmaterial, Tradition und Kunstfertigkeit, die Mischung aus Olivenöl und Knoblauch und das ganz spezielle Geheimnis des Hauses.“