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FANMEILE Kriegsbemalung, Trommeln, Jubeln – an ihrem zentralen Versammlungsort feiern die Eingeborenen ein ekstatisches Fest

BERLIN taz | Lärmend, mit Proviant ausgestattet und in bunter Pracht gekleidet strömen sie aus allen Himmelsrichtungen zusammen. Ihr Haarschmuck, ihre Kriegsbemalung, ihre Kostüme lassen sie als Gemeinschaft erkennen.

Ein Fest epochalen Charakters muss es sein, das hier gefeiert wird. Mehrere hunderttausend Krieger und Kriegerinnen werden erwartet, schon vor Ankunft an den Grenzen des Festgeländes ist kein Durchkommen mehr. In Scharen drängeln sie sich vor den errichteten Begrenzungen, die, so scheint es, von auserwählten Stammesmitgliedern bewacht werden. Im Gegensatz zur farbenprächtigen Kostümierung der Bewohner sind sie im dezenten Dunkelblau gekleidet und bringen durch ihre stumpfen Gesten ein wenig Ordnung in den aufgepeitschten Haufen.

Die Farben Schwarz-Rot-Gold trennen die Außenstehenden von den Kriegern und Kriegerinnen. Diese begrüßen sich mit Schlachtgesängen und den für den Stamm typischen Ritualen: Grob, fast gewalttätig muten sie an, die von Schulterklopfern und Glasklirren begleiteten Willkommensgrüße. In langen, tiefen Vokalen gezogen sind die Schlachtgesänge. Durch den Stakkatorhythmus aus tausend Kehlen gewinnen sie an Dynamik.

Die eng beieinander stehenden Krieger und Kriegerinnen steigern ihr wildes Temperament durch das Aneinanderreiben ihrer Körper in Ekstase. Die Wärme der aufgeheizten Körper vermischt sich mit dem Schwefelgeruch der unaufhörlich zündelnden Feuerwerke zu einer süßlichen Geruchsschwade. So verschworen die Gemeinschaft erscheint, nimmt sie gerne Fremde in ihrer Mitte auf – zumindest solange diese nicht als Angehörige eines anderen Stammes zu erkennen sind. Ohrenbetäubend ist der Lärm, der aus Kehlen, Trommeln, Rasseln entspringt und sich wie eine Glocke über die tanzenden Körper legt.

Frenetischer Jubel erklingt, als in der Mitte und zu beiden Seiten des Festplatzes wie von Geisterhand Bilder erscheinen. Fäuste werden gehoben, Chöre angestimmt. Wie von einer fremden Gottheit besessen bewegt die Masse ihre Glieder. Zustimmung und Ablehnung erfolgt aus tausenden Mündern. Emotionen nicht gekannter Reinheit, Inbrunst und Tiefe schlagen Wogen über den Platz hinweg.

Plötzlich unterbrechen die Krieger und Kriegerinnen ihren Tanz. Das unübersichtliche Geschehen der Bildprojektionen weicht einer orakelhaften Séance, nur um nach kurzer Zeit den schon bekannten Bildern und dem erneut beginnenden Ritualreigen zu weichen. Statt sich wie zuvor dem alternierenden Rhythmus von affirmativen und kriegerischen Gesten hinzugeben, entlädt sich die Anspannung wie auf ein geheimes Kommando hin in frenetischem Jubel. Die Menge ist nicht zu bändigen, die Körper verschmelzen zu einer Einheit, der Himmel leuchtet – erhellt vom Farbenmeer – lichterloh. CAROLIN KÜTER