piwik no script img

Archiv-Artikel

In der DDR genossen Mütter verkürzte Arbeitszeiten und Kitaplätze Geld und Privilegien brachten viele Kinder

taz-Serie: Elternzeiten anderswo. Deutschland führt 2007 das Elterngeld ein. Die taz beschreibt Familienpolitik weltweit. Letzter Teil: DDR

Kinder kriege man nicht „nach Kassenlage“, wird gesagt – gern von Frauen und Männern, für die das neue Erziehungsgeld zu spät kommt. Aber was soll eigentlich falsch daran sein, zu versuchen, Kinderwunsch und persönliche Finanzlage in Übereinstimmung zu bringen? Die DDR war sich dafür nicht zu fein. Bekommen hat sie dafür viele, viele Kinder.

Nachdem die Volkskammer 1970 den Schwangerschaftsabbruch legalisiert hatte und 1972 auch noch die kostenlose Pille eingeführt wurde, begannen Frauen zwischen Kap Arkona und Zittau nachzudenken, was sie außer Kinderkriegen noch mit ihrem Leben anfangen könnten. Prompt gab es einen heftigen Geburtenknick.

Deshalb wurde 1976 ein umfangreiches sozialpolitisches Maßnahmenpaket verabschiedet, das bis zur Wende 1989 stetig erweitert wurde. Bis die Mauer fiel, stellte die – durchaus auch sehr frühe – Mutterschaft für Frauen keinerlei erwerbsbiografisches Risiko mehr dar.

Zentrales Element, eine Frau von den Vorzügen der Mutterschaft zu überzeugen, war schlicht Geld. Genauer: das Erziehungsgeld. Achtzig Prozent Lohnfortzahlung im ersten Lebensjahr des kleinen Erbauers des Sozialismus waren einfach ein unschlagbar gutes Argument.

Die Erziehungszeit konnte um weitere zwei Jahre verlängert werden, wenn die Eltern keinen Krippenplatz bekamen. Auf diesen Platz hatten sie allerdings einen Rechtsanspruch.

Weitere Lockmittel waren der Schwangerschaftsurlaub von sagenhaften 20 Wochen, 1.000 Mark Windelgeld pro Kind, die um dreidreiviertel Stunden verkürzte Wochenarbeitszeit für Mütter und, je nach Kinderzahl, zwei bis fünf Urlaubstage mehr im Jahr. Im Rückblick ebenfalls sehr wichtig: die volle Anrechnung der Erziehungs- auf die Rentenzeit. In den Kreißsälen der Republik herrschte bald Massenabfertigung.

Väter spielten bei dieser demografischen Zwangsbeglückung keine Rolle. Erst ab 1986 durften sie Erziehungsurlaub nehmen, an die große Glocke gehängt wurde diese Option für die Männer allerdings nicht.

Die Ostfrauen nutzten ihre positive Diskriminierung. Es wurde kaum noch geheiratet, weil Alleinerziehende schneller Wohnungen und Krippenplätze bekamen. Und manche schlecht qualifizierte Frau bekam ein Kind nach dem anderen, die sie alsbald den Kitas überließ. Das aber waren Ausnahmen.

Die Regel waren Frauen, die eine grundsätzliche Entscheidung – nämlich die für oder gegen Kinder – völlig frei treffen konnten. Und deshalb schweigt dieser Text ausnahmsweise über den Unterschied zwischen Frauenpolitik und Gleichberechtigung. Davon haben die DDR-Frauen bis 1990 nämlich nicht viel verstanden. ANJA MAIER