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Archiv-Artikel

OSTTIMOR: MORALISCHE AUTORITÄT GEHT, DISKREDITIERTER PREMIER BLEIBT Der Rücktritt des Falschen

Osttimors Friedensnobelpreisträger José Ramos-Horta ist gestern als Außen- und Verteidigungsminister des jüngsten Staats der Welt zurückgetreten. Damit protestiert er gegen seinen Regierungschef Mari Alkatiri, der sich einem Rücktritt bisher stur verweigert. Im Unterschied zum unbeliebten und diskreditierten Premierminister sind Ramos-Horta wie auch Präsident Xanana Gusmão im In- wie Ausland hoch angesehene moralische Autoritäten. Zwar tragen auch sie etwa durch zu langes Schweigen eine gewisse Mitschuld am derzeitigen Zustand ihres Landes. Doch gelten sie eher als Teil der Lösung der gegenwärtigen Krise denn als deren zentrales Problem. Alkatiri dagegen treibt Osttimor immer weiter in die Krise.

Ramos-Horta versucht mit seinem Rücktritt den Druck auf Alkatiri zu erhöhen und macht damit das, wovor Gusmão letztlich zurückschreckte. Auch der beliebte Präsident, der eher zeremonielle Funktionen hat, hatte Alkatiri unter Androhung des eigenen Abgangs ultimativ zum Rücktritt aufgefordert. Doch der Premier, gestützt durch seine mächtige Partei Fretilin, ließ den Präsidenten auflaufen. Die Fretilin hat sicher das Protenzial, das Land mit einer Mobilisierung ihrer Anhänger und der angedeuteten Jagd auf Gegner vollends in den Abgrund zu treiben. Die dringend benötigte nationale Versöhnung und den ersehnten Wiederaufbau wird sie mit dem diskreditierten Premier nicht hinbekommen. Alkatiri hat mit seiner unnachgiebigen und arroganten Politik die Sicherheitskräfte gespalten und damit deren Desintegration herbeigeführt, was gewalttätige Banden auf den Plan rief und die Hauptstadt zu ihrer Beute machte.

Alkatiri musste das Scheitern seiner Politik bereits indirekt eingestehen, indem er ausländische Truppen zu Hilfe holte. Unabhängig davon, was an den Vorwürfen gegen den Premier dran ist, direkt in den Aufbau von Todesschwadronen gegen seine politischen Gegner verwickelt zu sein: Alkatiri trägt als Regierungschef die Verantwortung für den Zustand seines Landes. Angesichts der desolaten Lage kann er Osttimor nur noch mit einem Rücktritt dienen. SVEN HANSEN