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Archiv-Artikel

… die Fashion Week? Bald vom Mahnmal lassen

Von CLP

„Fahrrad nicht mit rein!“, bellt der Wachmann am Rand des großen, weißen Fashion-Week-Zelts auf dem Bebelplatz. Immerhin sitzt dem seitengescheitelten, schnauzbärtigen Aufpasser ein Kassengestell auf der Nase, sonst könnten hier glatt ungute Assoziationen aufkommen. Hier, wo die Organisatoren der Messe eine Art Gedächtnislaufsteg angelegt haben, der mitten in den Veranstaltungsort führt: zu Micha Ullmans Bücherverbrennungs-Mahnmal.

Das Fenster im Boden, durch das der Blick auf leere Regale fällt, wirkt deplatziert inmitten des Gewusels der Bühnentechniker. Die Bodenplatten des Zelts öffnen sich rund um das Quadrat, ein wenig wirkt es wie das Tuch, das einen Patienten auf dem Operationstisch bedeckt und nur die Wunde frei lässt. In kurzem Abstand kommen Touristengruppen, oft mit Fahrrädern, die sie auf Geheiß der Security im Freien anschließen.

Dass der Veranstalter, die Agentur IMG, den freien Zugang zum Mahnmal überhaupt garantiert, ist ein Zugeständnis an die Politik und eine Öffentlichkeit, die sich in den vergangenen Jahre zunehmend an der kommerziellen Nutzung des Platzes zwischen Staatsoper, Hedwigskathedrale und Humboldt-Uni stieß. Eine prominent besetzte „Initiative Bebelplatz“ und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes machten sich dafür stark, das von Mercedes-Benz gesponserte Event an einen anderen, unbelasteten Ort zu verlagern. Sogar der Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses forderte den Exodus des zweimal im Jahr stattfindenden Catwalk-Spektakels. Umsonst – vom 7. bis zum 11. Juli sowie im kommenden Januar wird die Fashion Week das Mahnmal nun doch noch über- bzw. umbauen. Auch weil die Senatswirtschaftsverwaltung fand, es gebe keinen angemessenen Ausweichstandort in der Stadt.

Ab Juli 2011 soll aber nun alles besser werden. Vor wenigen Wochen habe es eine Anhörung in der Bezirksverordnetenversammlung Mitte gegeben, sagt Stadtentwicklungsstadtrat Ephraim Gothe. Beteiligt waren IMG und Senatsverwaltung, verständigt habe man sich darauf, die Fashion Week spätestens im kommenden Sommer auf die Straße des 17. Juni zu schicken. Dort wird zwischen Brandenburger Tor und Yitzhak-Rabin-Straße gebaut; eine verbesserte Infrastruktur – mit Strom- und Wasseranschlüssen – soll die Austragung der Modemeisterschaften erleichtern. Ob sie dort auch zweimal jährlich wird stattfinden können, darüber wird noch mit dem Senat verhandelt.

So lange muss man sich eben noch an dem Scheitelträger vorbeizwängen. Immerhin – auf Infotafeln am Absperrgitter erklärt die Fashion Week die Geschichte des Platzes. Und sie vergisst nicht, auf die jüdischen Wurzeln der Modestadt Berlin zu verweisen, die den Nazis ebenso zum Opfer fielen wie die Bücher auf dem Scheiterhaufen. Was fast schon wie ein Freispruch in eigener Sache klingt. Gut, dass der Platz bald frei ist. CLP Foto: CLP