: Fans im Glück
Ein Mann rast mit einem Pkw in die Berliner Fanmeile, 25 Menschen werden verletzt. Der Senat sieht keinen Fehler am eigenen Sicherheitskonzept. Eine solche Tat könne man nie ausschließen
VON KERSTIN SPECKNER
Die Berliner Fanmeile vor dem Brandenburger Tor ist fast leer an diesem Montagvormittag. Nur vor dem Südeingang, in der Nähe des Holocaust-Mahnmals, eilen etwa ein Dutzend Menschen geschäftig umher. Mit Kreidekreuzen markieren sie den Asphalt, machen Fotos, vermessen Abstände. Kurz vor den hüfthohen Absperrgittern, die quer über die Straße stehen, markieren sie einen dunklen Fleck mit einem Kreis. „Da ist einer voll mit dem Auto in die Fanmeile reingerast“, erklärt ein kleiner Junge seinen Klassenkameraden vom Straßenrand aus.
Die Männer an der Absperrung arbeiten im Auftrag der Berliner Mordkommission. Die ermittelt wegen versuchter Tötung gegen einen 33-jährigen Mann. Dieser hatte am Sonntag gegen 15.30 Uhr mit einem VW Polo die Absperrung durchbrochen und war im Zickzackkurs bis vor das Brandenburger Tor gefahren. Dort endete die Fahrt an einer weiteren Absperrung.
25 Menschen wurden auf diesen etwa 300 Metern verletzt, darunter drei Kinder. Am schwersten traf es einen Elfjährigen, der mit mehreren Rippenbrüchen und einer Gehirnerschütterung im Krankenhaus liegt. Über die Gründe für die Irrfahrt sei noch nichts bekannt, sagte eine Sprecherin der Berliner Polizei der taz. Der 33-jährige Fahrer wohne in Berlin, bei seiner 55-jährigen Beifahrerin handle es sich wohl um seine Mutter, so ein Polizeisprecher. Beide blieben unverletzt. Sie wurden am Tatort mit vorgehaltener Waffe festgenommen. Die Beifahrerin kam gestern wieder frei.
Dass nicht mehr Menschen schwer verletzt wurden, liegt wohl auch daran, dass auf der Fanmeile zu dieser Zeit wenig los war: Auf den Großleinwänden wurde kein WM-Spiel übertragen. Erst am Abend fand vor dem Brandenburger Tor ein Konzert mit internationalen Musikgruppen statt. „Wir lassen uns die Stimmung nicht von einem Durchgeknallten verderben“, rechtfertigte Senatssprecher Michael Donnermeyer, dass das Konzert trotzdem stattfand.
Für die Sicherheit auf der Fanmeile vor dem Brandenburger Tor ist die Berliner Innenbehörde zuständig. Die Eingänge zum Fanfest sind mit Mitarbeitern von privaten Sicherheitsdiensten besetzt. Die kontrollieren jeden, der das Fanfest besuchen will, durchsuchen Rucksäcke und Taschen. Zu dem Vorfall dürften sie sich nicht äußern, sagen sie. Die komplette Fanmeile ist videoüberwacht, verkünden überall grüne Plakate. Hüfthohe Absperrzäune aus Metall sollen sicherstellen, dass keiner den Eingangskontrollen entgeht. Ein Auto können diese Gitter offenbar nicht aufhalten. Zumindest nicht dort, wo sie nicht miteinander verhakt sind, wie im Eingangsbereich. Dort lassen sie sich leicht mit einer Hand zur Seite schieben.
Sein Sicherheitskonzept für die Fanmeile will der Berliner Senat nicht ändern. Dazu gebe es keine Veranlassung. Solche Taten Einzelner könnten nie 100-prozentig ausgeschlossen werden, sagte Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) in einer Stellungnahme, der Mann sei „offensichtlich mit Absicht“ durch die Absperrung gefahren. Der Mann habe „andere verletzen und Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollen“. Auch ein Polizeisprecher bestätigte, dass man die beweglichen Absperrungen beibehalten werde. Im Notfall müssten diese schnell zur Seite geschafft werden können.
Es gebe von den Innenministern bundeseinheitliche Standards für alle Fanmeilen. Die habe man alle berücksichtigt: die Videoüberwachung, die Einzäunung und die Eingangskontrollen durch einen privaten Sicherheitsdienst, sagte der beim Berliner Senat für die WM zuständige Pressesprecher Martin Stettner der taz. Im Bundesinnenministerium sieht man keinen Anlass, diese Bestimmungen zu prüfen, so ein Sprecher der Behörde.
Die WM-Organisatoren sprachen von einem bedauerlichen Einzelfall. Die Verantwortung wies der Sprecher des Organisationskomitees Gerd Graus jedoch weit von sich: Für die Sicherheit seien weder die Fifa noch das Organisationskomitee verantwortlich, sondern die Betreiber der Fanfeste. Das ist in diesem Fall der Berliner Senat.