SÜDDEUTSCHE, JAHRESZEITEN VERLAG, HERBERT WEHNER : Scheiße. Ist Walser. Müssen wir machen
Dies sind wieder so Tage, da liebe ich meine Arbeit, denn das, was um sie herum geschieht, ist zum Brüllen komisch! Auch die traurigen Dinge sind genau genommen ein großer Witz.
Fangen wir mit Martin Walser an, der Bastian Schweinsteiger einen offenen Brief geschrieben hat. Martin Walser wirft sich in den Staub im Angesicht vor Schweinsteigers Kniefall nach dem Sieg Spaniens. „So knien, so sich beugen kann nur einer, der gerade verloren hat“, schwurbelt Walser, betört vom überraschenden Erstarken seiner Körpersäfte im Anblick der Jugend. Er preist die Ästhetik des gebrochenen Teutonen und haut Sätze in die Tasten wie: „Dann knien Sie so lange, wie Sie noch kein Mensch hat knien sehen.“
Ich möchte auf den Wahrscheinlichkeitsgrad dieser Behauptung nicht weiter eingehen und mich einer anderen, auch sehr lustigen Seite von Walsers Erguss zuwenden, der Veröffentlichung. Erschienen ist der Auswurf des 83-Jährigen in der Süddeutschen Zeitung. Dass es dazu kommen konnte, stelle ich mir so vor: Walser wird vor dem Fernseher von seinen Gefühlen übermannt. Weil er Walser ist, schreibt er die auf. Weil er Walser ist, schickt er die an die Chefredaktion der SZ. Die Chefredaktion der SZ denkt: Scheiße. Ist Walser. Müssen wir machen. 10-Uhr-Konferenz: Chefredaktion sagt, wir haben da was, das müssen wir drucken. Ist Walser. Kommt in Sport. Sport sagt, sorry, schon voll. Dann ins Feuilleton. Ist beschlossen, Gemecker hilft nicht.
Feuilletonchef schiebt den Brief auf seinem Schreibtisch hin und her. Hat ’ne Idee. Ruft Sekretärin ins Zimmer, überreicht Brief: „Bringen Sie das zu Rudi von den Todesanzeigen, der hat bestimmt noch Platz.“ Sekretärin kommt mit Brief zurück. Hitzewelle, kein Platz. Scheiße, denkt der Chef. Überlegt. Walser, Fußball, Fernsehen – Medien! Medienseite, gebongt! Medienchef im Urlaub, Vertreter sagt, das kann er nicht entscheiden, so ein wichtiger Text. F-Chef läuft in seinem Ressort von Schreibtisch zu Schreibtisch. 16.30 Uhr, zu spät, Seiten fertig. Bleibt nur die Aufmacherseite.
Nein, der Walser hat der SZ keinen Gefallen getan. Ich kenne niemanden, der das nicht peinlich fand.
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Wunderlich ging es letztes Wochenende auch bei der Netzwerk Recherche Tagung zu. Nicht alle Teilnehmer waren am ersten Tag gekommen, und so hing am Freitagabend noch das Namenskärtchen für „Willy Brandt SPD“ an der Wand. Das erinnert mich an die wunderbare Anekdote, die Evelyn Roll letztes Jahr in der SZ aufschrieb. Im Zuge der Veröffentlichung eines Buchs über Herbert Wehner hatte eine „Journalistin“ von RTL im Willy-Brandt-Haus angerufen und wollte mit Herbert Wehner verbunden werden. Der Referent fand’s lustig: „Tut mir sehr leid, Herr Wehner ist gerade in einem wichtigen Gespräch mit Franz Josef Strauß, da kann ich jetzt nicht stören.“ – Sie: „Okay, dann darf ich also später noch einmal anrufen?“ Krumm vor Lachen gebe ich zurück nach Berlin, werfe meinen Helm in die Ecke und verabschiede mich in den Heimaturlaub!Hinweis:DIE KRIEGSREPORTERIN SILKE BURMESTER berichtet jeden Mittwoch von der MEDIENFRONTFeldpost? Mail an kriegsreporterin@taz.de