: Mut zum Engagement
MITBESTIMMUNG Im März stehen die nächsten Betriebsratswahlen an. Zehn Fragen und Antworten zu den Aufgaben, Möglichkeiten und Grenzen der Arbeitnehmervertretung
VON KAI VON APPEN
Vom 1. bis 31. März finden bundesweit die turnusmäßigen Betriebsratswahlen statt. Alle Betriebsräte müssen neu gewählt werden. Ausgenommen sind nur die Betriebe, in denen in den letzten Monaten bereits Betriebsrats-Neuwahlen stattgefunden haben oder Betriebsräte neu gegründet worden sind. Diese bleiben im Amt.
Wozu gibt es Betriebsräte?
Betriebsräte sind in einem Betrieb gewählte KollegInnen, die die Interessen der Beschäftigten vertreten. Sie arbeiten auf Grundlage des Betriebsverfassungsgesetzes, dass ihnen Mitbestimmung in Belangen der Gestaltung von Arbeitsplätzen und Arbeitsprozessen – etwa Arbeitszeiten, Überstunden, Arbeitsplatzausstattung – zusichert.
Wer kann sich wählen lassen?
Gewählt werden kann jeder Beschäftigte, der in einem Betrieb fest angestellt ist und länger als ein halbes Jahr der Firma angehört. Das gilt auch für Angestellte, die nur eine halbe Stelle haben oder auf Teilzeitbasis als sozusagen prekär Beschäftigte ständige Aushilfen sind – was im studentischen Bereich nicht selten ist.
Warum sollte man sich wählen lassen?
Wer strukturelle Missstände entdeckt oder Ungerechtigkeiten erkennt – auch in Nachbarbereichen und Abteilungen – sollte sich aufstellen lassen, um diese zu beseitigen.
Was können Betriebsräte praktisch tun?
Betriebsräte haben zum Beispiel das Recht, bei Missständen die Geschäftsführung zu ermahnen, diese abzustellen und können zu diesem Zweck Betriebsvereinbarungen abschließen. So zum Beispiel zur Nutzung privater Handys oder PKWs. Bei Einstellungen können Betriebsräte die soziale Auswahl überprüfen, damit nicht der Bewerber, dessen Nase dem Chef passt, trotz gleicher Qualifikation vor einer Mitbewerberin bevorzugt wird, die alleinerziehende Mutter ist. Bei Entlassungen muss ein Betriebsrat angehört werden, ob die Kündigungsgründe Substanz haben. Widerspricht der Betriebsrat einer Kündigung des Arbeitgebers, hat dies in der Regel aufschiebende Wirkung, bis das Arbeitsgericht über die Entlassung entschieden hat.
Wie geschützt ist man, wenn man sich an den Betriebsrat wendet?
Betriebsräte unterliegen der Verschwiegenheitspflicht, so dass sich Mitarbeiter auch vertrauensvoll an ihn wenden können, wenn sie zum Beispiel von Vorgesetzten gemobbt werden. Das muss nicht immer eine offensichtliche sexuelle Belästigung sein. So etwas fängt oft auf niedrigem Niveau an, etwa wenn der Urlaub schikanös verwehrt wird.
Wann arbeiten Betriebsräte hauptberuflich?
Die Größe des Betriebsrats und die Zahl der Mitglieder ist nach dem Gesetz gestaffelt. Kleinstbetriebe haben einen Betriebsrat, der früher „Betriebsobmann“ genannt wurde. Firmen mit mehr als 20 Beschäftigten haben drei Mitglieder, die Zahl nimmt mit der Größe des Betriebs zu. Betriebsräte in Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten haben dann einen Anspruch darauf, dass eines seiner Mitglieder von der regulären Arbeit freigestellt wird.
Was für verschiedene Betriebsrats-Strukturen gibt es?
Vorrangig herrscht das Prinzip, dass jeder Betrieb einen eigenen Betriebsrat wählt. Gibt es weitere Betriebsstellen in der Region, was bei Handelsketten oft der Fall ist, delegieren die einzelnen Betriebsräte einen Gesamtbetriebsrat und auf Bundesebene einen Konzernbetriebsrat.
Wo enden die Möglichkeiten von Betriebsräten?
Im Kapitalismus können der Inhaber und oft die Anteilseigner den Kurs eines Unternehmens bestimmen. Die gesetzlich verbriefte unternehmerische Freiheit lässt es zu, dass sie gewisse Entscheidungen allein treffen können: Ob sie eine Abteilung eines Betriebes oder ganze Standorte schließen. Dagegen kann ein Betriebsrat im Prinzip nichts machen. Der Betrieb ist aber verpflichtet, mit der Belegschaftsvertretung sogenannte Interessenausgleichs-Verhandlungen zu führen. Kommt es zu keiner Einigung, kann eine Einigungsstelle einberufen werden, der ein neutraler Schlichter vorsitzt. Lässt sich der Inhaber von der Maßnahme nicht abbringen, bleibt nur der Sozialplan oder ein gewerkschaftlicher Arbeitskampf. Ein Betriebsrat darf zu keinen Arbeitskampf-Maßnahmen aufrufen.
Was ist der Unterschied zu Personalräten?
Im Prinzip keiner. Personalräte unterliegen dem Personalvertretungsgesetz, das für staatliche Betriebe oder Behörden gilt. Was die Beteiligungs-Rechte angeht, sind die Personalräte den Betriebsräten bis auf kleine Nuancen gleichgestellt.
Wo gibt es gar keine Betriebsräte?
Dort, wo die Beschäftigten aus Angst vor Repressalien des Arbeitgebers keinen wählen und oft in kirchlichen Unternehmen wie Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern. Dort ist nach Kirchenrecht der „dritte Weg“ weitgehend noch in Kraft, und es werden oft nur Arbeitnehmer-Vertretungen gewählt, die aber im Konfliktfall keine Rechte haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen