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Archiv-Artikel

KOMMENTAR: MARCO CARINI ÜBER DEN VOLKSENTSCHEID Die Stunde der Demagogen

Wer hat sich da so gründlich vergaloppiert: Das Volk oder die von ihm selbst gewählten Volksvertreter?

Ein Volk will nicht folgen. Nicht den Parteien folgen, die es selbst zu 92,7 Prozent gewählt hat und auch nicht der Allianz aus Gewerkschaften und Kammern. Dass es ihnen zusammen nicht gelang, die Hamburger von der Schulreform zu überzeugen, wirft Fragen auf. „Welche Strahlkraft haben Parteien und Verbände heute noch?“ lautet die eine und eine andere heißt: „Wer hat sich da gründlich vergaloppiert: das Volk oder die gewählten Volksvertreter?“

Argumente haben in der emotional aufgeladenen Schuldiskussion offenbar nicht gezogen – der Volksentscheid war auch die Stunde der Demagogen. Wer im privaten Rahmen über die Schulreform diskutiert hat, konnte erkennen, wie viele Hamburger kaum wussten, worüber sie genau abstimmten, wie viele Ängste im Spiel waren. Die Statistiken zeigen zudem, dass die Gutsituierten abstimmten, während die Einkommensschwächeren sich am Entscheid kaum beteiligten.

Wieder einmal ist eine Volksabstimmung zu einem Instrument der Klientelpolitik derjenigen verkommen, die die finanziellen und organisatorischen Voraussetzungen für eine groß angelegte Kampagne haben. Die Volksgesetzgebung muss schnellstens reformiert werden, wenn sie mit Demokratie noch etwas zu tun haben soll.

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