AB IN DIE STRAFKOLONIE : Böse, böse Ökoterroristen
ANDREAS RÜTTENAUER
Es ist eiskalt im malerischen Wildbad Kreuth. Nach dem Kamingespräch mit den Spitzen der CSU-Fraktion des Bayerischen Landtags lässt sich der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees noch einmal fotografieren, bevor er sich auf den Heimweg nach Lausanne macht. Er bedankt sich artig bei seinen Gastgebern für das Gespräch, sagt in Richtung der vor dem Bildungszentrum der Hanns-Seidel-Stiftung wartenden Journalisten, dass er sich Olympische Winterspiele in Bayern immer noch gut vorstellen kann, und gibt seiner Genugtuung darüber Ausdruck, dass ihm nichts passiert sei während seines Besuchs. Schön sicher sei es in Bayern. Der IOC-Boss war besonders gut bewacht worden, nachdem militante Umweltaktivisten einen Drohbrief mit unverhohlenen Morddrohungen an den obersten Olympier geschickt hatten. Die Umweltterroristen haben dem Mann dann doch nicht nach dem Leben getrachtet, und doch werden sie umgehend des Mordes verdächtigt, nachdem die Leiche des CSU-Fraktionschefs aus dem Tegernsee gezogen worden war.
Der Autor Harry Luck hat sich das ausgedacht und die Anti-Olympia-Bewegung in seinen Krimi „Kreuther Komplott“, in dem sich am Ende der immer gut gegelte bayerische Innenminister und gefeierte Politparvenü Max von Donnersberg als verlogener und mordender Superbösewicht erweist, doch arg finster dargestellt. Er schafft es sogar, die im Sinne einer kriminalistischen Betrachtung nun wahrlich nicht gefährlichen, aber umso erfolgreicheren Olympiagegner in einen Zusammenhang mit einer kleinen italienischen Terrorzelle zu bringen, die schon mal mit einem Sprengstoffanschlag auf eine Technologieeinrichtung in der Schweiz auf sich und ihre Anliegen aufmerksam gemacht hat. „Il Silvestre“ hat sich die Terrorgruppe genannt, deren Ziel die Mobilisierung gegen die Bio-, Nano- und Nukleartechnologie war. Böse, böse, diese Ökos, die Luck da in einem Satz zusammen mit den Nolympiern von München und Garmisch nennt.
Die wahren Nolympier in Oberbayern können froh sein, dass die wahre Polizei nicht ganz so schlecht über sie denkt wie die Kommissare in Lucks Buch. Und heilfroh können sie sein, dass sie ihre Kritik an der Zerstörung der Bergwelt durch olympischen Größenwahn öffentlich zum Ausdruck bringen können, ohne deshalb gleich weggesperrt zu werden.
Dass dies in Russland anders ist, das wusste der Umweltaktivist Jewgeni Witischko gewiss ganz genau, als er unweit von Sotschi in einem geschützten Teil des Kaukasus Protestplakate an einem Zaun anbrachte, hinter dem nicht nur er die illegal in einem Naturschutzareal errichtete Luxusvilla des Gouverneurs der Region Krasnodar vermutet hat. Zu drei Jahren Haft wurde der mutige Geologe deswegen verurteilt und gilt längst als der politische Gefangene der Spiele von Sotschi. In der Logik eines Wladimir Putin gilt ein Mann wie Witischko, der mit seiner NGO Environmental Watch on the North Caucasus akribisch die Zerstörung der Natur zum Zwecke der Errichtung von Wintersportanlagen dokumentiert, gewiss als Terrorist. Die Mächtigen in Russland fürchten die freie Meinung dieses Mannes beinahe ebenso wie die Waffen von kaukasischen Freischärlern und nehmen sich das Recht heraus, ihn einfach in eine Strafkolonie zu schicken.
So etwas gibt es auch im Krimioberbayern, in dem sich jede Menge skrupellose und korrupte CSUler tummeln, nicht. Am Ende sind die Umweltaktivisten, vor denen der spanische IOC-Präsident geschützt werden soll, relativ harmlose Gesellen. Waschlappen sogar. Der verschuldete Grünen-Politiker, der mit der Tochter des toten Fraktionschefs zusammen war, muss weinen, als ihm seine Liebste den Laufpass gibt. Die fesche Einserabiturientin und Musterstudentin mit Karriereaussichten in der Jungen Union mag da gar nicht hinschauen. Und im Handumdrehen hat Luck aus einem potenziellen Terroristen eine Witzfigur gemacht. Auch nicht gerade schön.