BERNWARD JANZING ÜBER DAS AUSLAUFMODELL ATOMKRAFT : Unverstrahlte Wirklichkeit
Willkommen in der Wirklichkeit! Was hatten Union und FDP vor der Bundestagswahl gepoltert, wie sehr sie die Atomkraftwerke protegieren würden, wenn sie denn in Berlin an die Macht kämen. Nun sind sie dort seit zehn Monaten angekommen und nichts ist geschehen – abgesehen davon, dass die Union immer weniger bereit ist, sich für die Interessen der Atomlobby zu schlagen.
Das hat zum einen politische Gründe: Unabhängig von einer derzeit im Bundestag bestehenden Mehrheit von Union und FDP hat die Atomkraft in Deutschland seit Jahren keine gesellschaftliche Basis mehr. Man merkt das an vielen Stellen: Ob es der Bundesrat ist, der bei der Laufzeitverlängerung blockt, ob es kommunale Stromversorger sind, die in einer Stärkung der Atommeiler eine Wettbewerbsverzerrung sehen, oder ob es die wiedererstarkte Antiatomkraftbewegung ist – Gegner einer Laufzeitverlängerung gibt es viele.
Die zweite Realität betrifft den Strommarkt an sich, in dem die Erneuerbaren boomen: Windkraft und Bioenergie entwickeln sich prächtig, der Solarstrom wächst gar in unglaublichem Maß. Bereits 2011 dürfte die installierte Leistung der Fotovoltaik in Deutschland jene der Atomkraft übertreffen. Die erneuerbaren Energien verdrängen damit Kilowattstunde um Kilowattstunde die bisherigen Kraftwerke und engen so den Raum für die Atomkraft immer weiter ein. Schon heute senken Wind & Co. durch ihr enormes Angebot die Preise an der Strombörse – und schmälern damit die Renditen der Atommeiler. Geht der Ausbau der Erneuerbaren ungebremst weiter und kommt zudem die Brennelementesteuer, dürften bald die ersten Atomkraftwerke aus rein ökonomischen Gründen das Feld räumen. Die politische Debatte um Laufzeiten wäre damit endgültig zu einer Phantomdiskussion degradiert.
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