: Mufti erlässt eine Fatwa gegen Schwule
KIRGISTAN Mit einem religiösen Bann antwortet der Religionsgelehrte auf den Bericht über die Verfolgung von Schwulen in dem asiatischen Bergland. Besonders brutal agiert die lokale Polizei gegen Schwule
AUS BISCHKEK MARCUS BENSMANN
Fatwa gegen Schwule. Der Mufti Kirgistan Maksat Hadschi Toktomuschjew belegt die gleichgeschlechtliche Liebe in dem zentralasiatischen Land an der chinesischen Grenze mit einem religiösen Bannfluch. „Der Islam verbietet das kategorisch“, schäumt der oberste Religionshüter in Bischkek.
Die Fatwa des Muftis ist die religiöse Replik auf einen Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) über anhaltende kirgisische Polizeigewalt gegen schwule und bisexuelle Männer. Offiziell steht Sex unter Männern in der ehemaligen Sowjetrepublik seit 1998 nicht mehr unter Strafe.
In der HRW-Studie heißt es: „Schwule und bisexuelle Männer sind Opfer von Polizeigewalt“, sie würden erpresst, gefoltert und vergewaltigt. Der Bericht basiert auf 40 Aussagen von Männern, die in der Gebirgsrepublik die Tortur auf den Polizeiwachen durchgemacht hatten.
HRW beschreibt auch die Geschichte des 32-jährigen Demetra D., der zwischen 2004 und 2011 viermal von der Polizei verhaftet und vergewaltigt wurde. Das erste Mal verschleppte die Polizei ihn und seinen Freund an den Stadtrand. „Sie haben unser Flehen ignoriert, nachdem sie uns vergewaltigt hatten, ließen sie uns liegen.“ Nach der zweiten Verhaftung und Vergewaltigung durch Mitgefangene erstattet er Anzeige, aber es werden keine Ermittlungen eingeleitet.
Kaum einer der Zeugen in dem HRW-Bericht wird mit dem vollen Namen aufgeführt, aus Angst vor gesellschaftlicher Ächtung. Einer allerdings, Mikhail Kudryashow, sucht Gerechtigkeit. Der heute 25-Jährige wurde 2010 von der Polizei verhaftet, erniedrigt, verprügelt und zu Geldzahlungen genötigt. Aber trotz detaillierter Aussagen eröffnete die Staatsanwaltschaft in Bischkek kein Strafverfahren. Auch wenn in Kirgistan Organisationen für die Rechte sexueller Minderheiten tätig sind, hört in der öffentlichen Wahrnehmung bei der gleichgeschlechtlichen Liebe die Toleranz auf. Und das nicht nur bei der muslimischen Bevölkerung, sondern auch bei den meisten russischstämmigen Einwohnern.
Ohne die Fatwa gegen Schwule zu erwähnen, wehrte sich Präsident Almasbek Atambajew allerdings deutlich gegen religiöse Bevormundung. „Die arabische Welt will uns ihre Kultur und ihre Traditionen aufdrücken.“ Der kirgisische Staatschef beklagte, dass die Frauen sich wie in Arabien verschleiern würden.