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Archiv-Artikel

Die Reaktoren beginnen zu schwitzen

Wegen der Hitze müssen die Kraftwerke ihre Kapazitäten runterfahren. Das treibt die Preise in die Höhe. Die Anbieter der erneuerbaren Energie sehen sich als Alternative, obwohl auch die Windkraft schwächelt. Denn Biogasanlagen laufen weiter

VON DANIEL BÖHM

Schwitzend und ohne Strom: so mussten vorgestern mehrere tausend Pariser den Nachmittag verbringen. Wegen der Hitze war ein Verteiler ausgefallen, woraufhin die Stromversorgung eines ganzen Bezirks zum Erliegen kam. Doch nicht nur in Frankreich leidet die Stromindustrie unter den hohen Temperaturen. Auch in Deutschland sind die Auswirkungen zu spüren: „Die Hitze ist eine Herausforderung für unsere Branche“, sagt Frank Brachvogel vom Verband der Elektrizitätswirtschaft VDEW.

Die Hälfte aller Atomreaktoren laufen zurzeit auf Sparflamme, ebenso mehrere Kohlekraftwerke. Der Grund: Die Kühlsysteme können wegen der Trockenheit nicht ausreichend mit Wasser versorgt werden.

Die zunehmende Knappheit drückt sich zurzeit in höheren Preisen aus. Der Preis für Strom aus konventionellen Kraftwerken in Deutschland ist innerhalb weniger Tage um 600 Prozent gestiegen. Vor einem Monat kostete eine Kilowattstunde knapp 4 Cent. Gestern waren es 30 Cent. Zu ernsthaften Versorgungsengpässen ist es aber bisher noch nicht gekommen. „Die Lage in Deutschland ist derzeit stabil“, sagt Brachvogel. „Sollten die heißen Temperaturen ohne Niederschläge aber noch längere Zeit anhalten, dann könnte das Auswirkungen haben.“ Für diesen Fall gibt es aber Notfallpläne.

Beim Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) sieht man das anders. „Ich denke, die Rekordhitze dient den Stromerzeugern als Argument, um die Preise in die Höhe zu drücken“, sagt VIK-Sprecher Roland Schmied. Die Kraftwerkbetreiber würden nicht an ihre Kapazitätsgrenzen gehen. „Und wenn es dieses Jahr tatsächlich besonders schlimm ist, weshalb wurde dann seitens der Kraftwerkbetreiber nicht schon vorher etwas unternommen?“ Schließlich sei das Phänomen keineswegs neu: „Die Tendenz zu Kapazitätsengpässen und höheren Preisen gibt es jeden Sommer“, sagt Schmied. Daher rechnet er auch nicht mit ernsthaften Versorgungsproblemen: „Der Grundbedarf ist gedeckt. Falls das nicht reicht, dann sollen die Stromerzeuger zusätzliche Reserven mobilisieren.“

Diese Reserven könnten aus alternativen Energiequellen stammen. „Der Anteil der erneuerbaren Energie am Stromverbrauch hat sich in den letzten sechs Jahren verdoppelt“, sagt Milan Nitzschke vom Bundesverband Erneuerbare Energie. Wind, Biogas oder Solarenergie produzieren derzeit 11,8 Prozent des Stroms. Zudem sei der Alternativstrom mit einem Preis von etwa 11 Cent pro Kilowattstunde relativ billig. „Dieser Sommer zeigt, dass Atomstrom weder kostengünstig noch unbegrenzt verfügbar ist“, sagt Cornelia Ziehm von der Deutschen Umwelthilfe (DUH).

Dabei könnte der Atomstrom mittelfristig durch solchen aus erneuerbaren Energiequellen ersetzt werden. „Bis 2016 werden wir mehr Strom produzieren als die AKWs“, sagt Nitzschke. Was aber, wenn – wie dieses Jahr – die Windenergie unter der Sommerhitze einbricht? „Dann springt das Biogas in die Bresche“, sagt Nitschke.