landis, testosteron etc. : We can be heroes, just for one day
Eingefleischten Tour-de-France-Guckern ging es letzte Woche ganz locker und leicht von den Lippen: Der Landis, der war doch gedopt! Ein Spruch nur, gewiss, und eigentlich unvorstellbar nach dem Dopingskandal um Ullrich und Basso und den anderen kurz vor der Tour – doch so wie Floyd Landis den einen Tag in den Bergen völlig einbrach und den nächsten ebenfalls in den Bergen über hundert Kilometer allein vorneweg fuhr und mit sechs Minuten Vorsprung ins Ziel kam, das war schon irgendwie verdächtig.
Nun fragt man sich: Warum macht der Landis das? Was hat ihn dazu bewegt, seinem Körper Testosteron zuzuführen? Die erste These ist die übliche: Gedopt wird weiterhin, lernen tut bei den Radfahrern und in ihrem Umfeld keiner aus den Vorfällen, und warum soll man ausgerechnet, wo die Chance wie bei Landis am allergrößten ist, einmal eine Tour zu gewinnen, von lieben Gewohnheiten abrücken. Landis hat sich dummerweise in der Testosteron-Dosis vertan, und zack, ging zwar die Post ab, die Sache insgesamt aber nach hinten los.
Die zweite These aber ist, dass Landis sich wahrscheinlich jetzt gar nicht so dumm fühlt, sondern er sich im vollen Bewusstsein, erwischt zu werden, übertestosteronisiert hat: Er war zwar schon einmal der Held für einen Tag, aber doch ein sehr tragischer. Das konnte er nicht auf sich sitzen lassen, da erinnerte sich der brave Floyd noch einmal genauer der Lyrics des David-Bowie-Songs: „Oh we can beat them, for ever and ever, then we can be Heroes, just for one day.“ Immer nur der boy next door mit dem mennonitischen Hintergrund, nein, nein, das war er ja als höchstwahrscheinlich Immer-schon-irgendwie-Gedopter sowieso nie, das musste doch wenigstens einmal richtig getoppt werden!
Und siehe da: Aus dem einen Tag wurden gleich mehrere Tage, aus den einmal (tragischen) fünfzehn Andy-Warhol-Minuten am Berg die vielen heldenhaften fünfzehn Andy-Warhol-Minuten bis zum Treppchen in Paris. Diese vier glücklichen und ganz untragischen heldenhaften französischen Tage wird Floyd Landis keiner mehr nehmen können, die Küsschen, die Blumensträuße, die Fotos auf den Titelseiten der Zeitungen, und danach ruhig die Sintflut. GERRIT BARTELS