piwik no script img

Tod aus dem Wasserhahn

LEGIONELLEN Hauseigentümer müssen überprüfen lassen, ob in ihren Warmwasseranlagen krank machende Bakterien lauern. Ob das geschieht, wird allerdings nicht kontrolliert

Ob alle Hamburger Vermieter ihrer Verpflichtung nachgekommen sind, kann die zuständige Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz nicht sagen, denn meldepflichtig sind nur Grenzwert-Überschreitungen

VON NIELS HOLSTEN

Wenn sie auftauchen, wird es gefährlich. Sie bringen Krankheit und in den schlimmsten Fällen den Tod. Die Rede ist von Legionellen, im Wasser lebende, stäbchenförmige Bakterien.

Bis Ende 2013 sollten nach der neuesten Trinkwasserverordnung alle gewerblichen Betreiber und Vermieter von Wohnungen ihre Warmwasser-Anlagen auf Legionellen untersucht haben, ab dann alle drei Jahre. Bisher war das lediglich für Betreiber von öffentlich genutzten Gebäuden wie Krankenhäusern oder Schwimmbädern verpflichtend. Von dieser Regelung ausgenommen bleiben Ein- und Zweifamilienhäuser sowie eigengenutzte Eigentumswohnungen.

Legionellen vermehren sich dann sprunghaft, wenn Wasser bei Temperaturen von 25 bis 50 Grad Celsius steht, vor allem in wenig, nur zeitweise oder gar nicht genutzten Anlagen. Gibt es zum Beispiel in einem Haus leer stehende Wohnungen, besteht die Gefahr, dass die Trinkwasseranlage des gesamten Hauses befallen wird. Für den Menschen gefährlich werden dann Duschen, Klimaanlagen, Whirlpools oder auch Rasensprenger.

Wird das verseuchte Wasser getrunken, richten die Bakterien keinen Schaden an. Auch von Mensch zu Mensch sind sie nicht übertragbar. Werden sie aber in feinsten Wasserpartikeln eingeatmet, gelangen sie in die Lunge und können eine grippeähnliche Erkrankung, das sogenannte Pontiac-Fieber auslösen. Im schlimmsten Fall kommt es zu einer schwer verlaufenden Lungenentzündung, der Legionellose, die auch Legionärskrankheit genannt wird.

So war es 1976 in Philadelphia, USA. Dort erkrankten auf einem Veteranentreffen der Pennsylvania American Legion 180 Teilnehmer durch eine verseuchte Klimaanlage, 29 von ihnen starben. Bei Untersuchungen konnte damals erstmals besagtes Bakterium isoliert werden – die Legion wurde zum Namensgeber.

Der letzte große Ausbruch in Deutschland mit 165 Erkrankten und drei Toten fand im August 2013 in Warstein statt. Aus der Kühlanlage einer bekannten Brauerei gelangten Legionellen in die Luft und so in die Lungen der Betroffenen. In Hamburg nahm Vattenfall im September letzen Jahres einen Kühlturm seines Kohlekraftwerks Moorburg außer Betrieb, weil dort Legionellen gefunden wurden. Eine Gefährdung von Menschen außerhalb des betroffenen Kühlturms habe nicht bestanden, sagte Vattenfall. Die Arbeiter mussten Mundschutz tragen.

Wie viele Menschen in Deutschland jährlich am Pontiac-Fieber und an der Legionärskrankheit erkranken, lässt sich schwer feststellen. In den seltensten Fällen wird bei einer Grippe oder Lungenentzündung nach dem Auslöser gesucht. Das Umweltbundesamt geht von bis zu 32.000 Legionellose-Erkrankungen aus, wovon etwa 15 Prozent tödlich enden. Am Pontiac-Fieber sollen noch einmal bis zu 100 Mal mehr erkranken. Tatsächlich gemeldet wurden 2013 beim zuständigen Robert-Koch-Institut 919 Legionellose-Fälle – 15 davon aus Hamburg.

Was muss ein Hauseigentümer nun tun? Werden bei der Untersuchung seiner Anlage durch ein gelistetes Labor mehr als die erlaubten 100 Kolonien bildende Einheiten (KbE) Legionellen pro 100 Milliliter Wasser festgestellt, muss er zunächst einmal die Mieter informieren und innerhalb von zwei Wochen das zuständige Gesundheitsamt. Je nachdem, wie viele Bakterien gefunden werden, fallen auch die zu treffenden Maßnahmen aus: Da Legionellen bei Temperaturen von über 60 Grad Celsius sterben, reicht es manchmal schon aus, die Durchlauftemperatur zu erhöhen und die Leitungen mindestens drei Minuten durchzuspülen. Reicht das nicht, muss chemisch desinfiziert, müssen Filter angebracht oder ganze Anlagen erneuert werden. Ab 10.000 Legionellen pro Milliliter kann das Gesundheitsamt auch schon mal ein Duschverbot verhängen.

Ob in Hamburg schon alle Vermieter ihren Verpflichtungen nachgekommen sind, kann die zuständige Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz nicht sagen. Meldepflichtig seien nur die Anlagen, die den Grenzwert überschreiten, heißt es, daher lägen keine anderen Daten vor. Bis Ende 2013 wurden den Hamburger Gesundheitsämtern 758 Anlagen gemeldet, in denen mehr als die zulässigen 100 Kolonien bildende Einheiten (KbE) Legionellen pro 100 Milliliter Wasser gefunden wurden, davon 662 in Wohnanlagen und 96 in öffentlichen Einrichtungen. Um welche Einrichtungen es sich genau handelt, mag die Gesundheitsbehörde aus „datenschutzrechtlichen Erwägungen“ nicht sagen. Darunter sind aber 32 Schulen, 23 Kinderbetreuungseinrichtungen und 14 Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen. Aufgrund ihres schwachen Immunsystems sind Kinder, Alte und Kranke besonders gefährdet.

Eines kann ein Jeder zu seinem Schutz tun: Wurden länger Leitungen nicht benutzt, zum Beispiel nach dem Urlaub: Fenster auf, Leitungen auf, und raus aus dem Raum für ein paar Minuten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen