SPORTPLATZ : „Sehr beeindrückend“
ABGEHAKT Mit einem 3:0-Sieg beim HSV schießt Adrián Ramos die Hertha aus ihrer Minikrise am Rückrundenstart. Zum Saisonende wird der Kolumbianer Berlin wohl verlassen. Von Fanprotesten gegen den KKR-Einstieg derweil keine Spur
Alles richtig gemacht hat der Finanzinvestor KKR mit seinem Engagement bei Hertha BSC. Das zeigte sich beim Auftritt der Berliner beim Hamburger SV, der noch darum ringt, sich für Investoren zu öffnen. Denn anders als die Hamburger, die schon prophylaktisch Transparente wie „Not for sale“ aufhängen, lange bevor ein tatsächlicher Investor in Sicht ist, nehmen die Berliner Fans den Einstieg des New Yorker Firmenverwerters offenkundig gleichmütig hin. Von Protest keine Spur.
Außerdem hat KKR sich den Club gut angesehen – und eine gefestigte Mannschaft vorgefunden, die sich von einem vermasselten Rückrundenstart nicht beirren lässt. „Die Mannschaft hat wieder die Qualität gezeigt, die sie vor der Winterpause hatte“, sagte ein strahlender Jos Luhukay nach dem souveränen 3:0-Sieg der Berliner. Von Erleichterung wollte der Trainer nicht sprechen: „Nein, es ist Freude. Erleichterung – dafür sind wir viel zu stabil.“ Einige Spieler hätten „sehr beeindrückend“ gespielt, sagte der Hertha-Trainer, ohne Namen zu nennen. Dass einer dieser Spieler Adrián Ramos war, wollte der große Verfechter des Kollektivgedankens dann aber doch nicht bestreiten. Und Tolga Cigerci? „Der auch. Aber auch Pekarik, Hosogai, Allagui oder Sebastian Langkamp – ach, es ist schwierig jetzt Namen zu nennen, nachher vergisst man jemanden.“
Ein untauglicher Versuch, von dem entscheidenden Mann auf dem Platz abzulenken. Die Hamburger jedenfalls waren von niemandem so beeindruckt wie von Adrián Ramos. Der Hertha-Stürmer hatte einen Elfmeter so schwach geschossen, dass HSV-Torwart René Adler zur Ecke klären konnte. Andere Leute würden mit ihrem Unglück hadern, vielleicht einen Knacks bekommen. Ramos hakte die Sache innerhalb von ein paar Sekunden ab und verlängerte den folgenden Eckball mit viel Gefühl auf Sami Allagui, der zum 0:1 einschob. Und schon hatten die nach fünf Niederlagen in Folge ohnehin verunsicherten Hamburger den Knacks. Noch ehe die erste Halbzeit vorbei war, hatte Ramos den HSV gänzlich erledigt, mit einem artistischen Kopfballtor und einem weiteren nach einem 30-Meter-Doppelpass mit Johannes van den Bergh.
Ein ums andere Mal rannte dieser Ramos den Hamburgern auch mit Ball davon, die unumschränkte Lufthoheit hatte er sowieso. Nach seinen beiden Treffern führt er die Torjägerliste der Liga weiter an. Seine Chancen, an der WM in Brasilien teilzunehmen, steigen ständig. Die Manager von KKR würden wahrscheinlich sagen: Der Mann ist ein Asset. Und solche müssen nach Investorenlogik beizeiten verkauft werden, solange sie etwas wert sind. Ramos ist noch bis zum Sommer etwas wert, denn im Jahr drauf endet sein Vertrag und er kann ablösefrei gehen. Dass er das tun will, daraus macht der Kolumbianer, der mit der Hertha die Ochsentour durch die zweite Liga gegangen ist, keinen Hehl, auch wenn er es am Samstag vorzog, gar nichts zu sagen.
Borussia Dortmund will Ramos als Nachfolger für den zu Bayern München wechselnden Robert Lewandowski locken. Und neuerdings bietet offenbar auch Atlético Madrid mit, das den Vorteil hat, in Ramos’ erklärtem „Lieblingsland“ Spanien beheimatet zu sein. Wenn beide sich nun mit Angeboten hoch genug schaukeln, ist absehbar, dass der KKR-Vertreter im Hertha-Aufsichtsrat die Hand für „verkaufen“ heben wird.
Die Hertha ist in der komfortablen Lage, dass sie einen potenziellen Nachfolger bereits unter Vertrag hat: Pierre-Michel Lasogga, bis Saisonende an den HSV ausgeliehen, saß am Samstag angeschlagen auf der Bank. Und weil HSV-Trainer Bert van Marwijk an eine Wende im Spiel nicht mehr glaubte, hat er auch nicht riskiert, ihn einzuwechseln. Aber Lasogga hat in 14 Partien für den HSV schon neunmal getroffen – fast so eine gute Quote wie die von Adrián Ramos. Auch deshalb wohl kann Hertha-Sportchef Michael Preetz im Ton ziemlich scharf werden, wenn in Hamburg mal wieder jemand etwas zu laut davon träumt, Pierre-Michel Lasogga könnte gar auf Dauer an der Elbe bleiben.
JAN KAHLCKE