: „Wer weiß, was wir machen?“
DER VERPACKUNGSMITTELMECHANIKER Bei Gundlach Display + Box wird nur ausgebildet, wer sich vorher bei einem zweiwöchigen Praktikum auch bewährt hat
THOMAS FISCHER, AUSBILDUNGSLEITER
Thomas Fischer, 43, ein kleiner Mann mit kurz geschorenem Haar, steht im roten Arbeitskittel in der Produktionshalle. Die Maschine neben ihm ist so groß wie ein Kleinlaster und stanzt 9.000 Bögen pro Stunde, seine Stimme kämpft gegen den Lärm: „Vor ein paar Jahren hatten wir noch über 100 Bewerbungen auf unsere zwei Ausbildungsplätze – heute sind es nur noch 30.“ Die jungen Leute, ruft er, wollen doch heute alle nur noch Mediengestalter oder Tierpfleger werden. „Aber wer weiß schon, was ein Verpackungsmittelmechaniker macht?“
Seit 2002 ist Thomas Fischer Ausbildungsleiter beim Unternehmen Gundlach Display + Box in Mariendorf. Die Firma hat sich auf Verpackungen zur Verkaufsförderung spezialisiert: Aus Bögen brauner Wellpappe entstehen goldglänzende CD-Hüllen, mannshohe Coca-Cola-Trucks und all die bunten Warenaufsteller, an denen kaum ein Einkaufswagen vorbeikommt.
Die Gründe für die rückläufigen Bewerberzahlen sieht Fischer vor allem in der Abwanderung der Industrie aus Berlin und im Siegeszug der Modeberufe. Und die wenigen Bewerbungen, die noch im Firmenbriefkasten liegen, verstoßen oft gegen die einfachsten Regeln: „Handwerker müssen natürlich keine schriftlichen Glanzleistungen vollbringen“, sagt Fischer, „aber die grundlegendsten Standards sollten schon eingehalten werden.“ Beim Einstellungstest scheiterten viele an ihrer Mathematikschwäche.
Doch ob ein Bewerber zuverlässig ist und jeden Tag pünktlich auf der Matte steht, sei bei dem Test nur schwer festzustellen. Zu häufig gab es in der Vergangenheit böse Überraschungen. Daher hat Gundlach vor zwei Jahren die Regel eingeführt, dass Azubis bei Gundlach vor Ausbildungsbeginn ein zweiwöchiges Praktikum absolvieren.
Für Steve Kycia, 18, beginnt im September das dritte Lehrjahr. Der junge Mann mit dem Oberlippenflaum steht in der Betriebswerkstatt, hier wird gefräst, geschliffen, gelötet und gebohrt. „Ich wusste schon in der Schule, dass ich etwas Handwerkliches machen will. So ein Schreibttischjob ist nichts für mich.“ In der Berufsberatung des Arbeitsamtes tippte er damals seine Stärken und Vorlieben in den Computer – heraus kam ein Beruf, von dem er nie zuvor etwas gehört hatte.
Obwohl er nur einen erweiterten Hauptschulabschluss hat, stach er viele Mitbewerber aus. Er überzeugte Gundlach mit einem schlagenden Argument: Er zeigte Interesse an seinem Beruf. Das ist laut Fischer sehr selten: „Manche Bewerber sitzen hier und sehen aus, als seien sie gerade aus dem Bett gefallen. Und wenn wir sie dann fragen: ‚Was machen wir hier bei Gundlach?‘, zucken sie mit den Schultern und antworten: ‚Verpackungen?!‘.“ Eine neue Berufsbezeichnung soll nun helfen, die Ausbildung populärer zu machen. Mit Beginn des Lehrjahrs 2011 heißen sie nicht mehr Verpackungsmittelmechaniker, sondern Packmitteltechnologen. JULIUS SCHOPHOFF