: Funkhaus: Senat will mitspielen
Wirtschaftssenator Wolf hofft, den Verkauf des DDR-Rundfunkgeländes Nalepastraße zu annullieren. Statt Sachsen-Anhalt soll der Berliner Liegenschaftsfonds die Vermarktung dann selbst übernehmen
Von Erik Heier
Übernimmt Berlin nun selbst die Vermarktung des ehemaligen DDR-Rundfunkgeländes an der Nalepastraße? Undenkbar ist diese neuerliche Wendung in der an Merkwürdigkeiten reichen Geschichte um den Verkauf des 13 Hektar großen Geländes in Oberschöneweide jedenfalls nicht. Doch dafür müsste der Verkauf des im November für 350.000 Euro an Spekulanten gegangenen Areals erst einmal für nichtig erklärt werden.
Ihm lägen Unterlagen vor, die dazu Veranlassung bieten würden, sagte Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei) gestern in einer Sondersitzung des Medienausschusses im Abgeordnetenhaus. Sollte der Verkauf rückgängig gemacht werden, würde das Areal wieder an die neuen Länder und Berlin zurückfallen, die es nach der Auflösung des DDR-Rundfunks Ende 1991 innehatten. Der Berliner Liegenschaftsfonds wäre bereit, im Auftrag der neuen Bundesländer bei der Vermarktung einzuspringen, sagten Wirtschaftssenator Wolf und Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD).
Die Oppositionsparteien CDU, FDP und Grüne hatten die Sondersitzung zum skandalumwitterten Verkauf des Medienstandortes beantragt. Wie berichtet, war das Areal vom Käufer, dem Baumaschinenverleih Bau und Praktik aus Sachsen-Anhalt, kurz nach dem Erwerb geteilt und das denkmalgeschützte Rundfunkzentrum Mitte Juli für 3,9 Millionen Euro an eine internationale Investorengruppe versteigert worden. Die vertragliche Übergabe ist bislang für den 4. September vorgesehen.
Laut Wirtschaftssenator Wolf habe Berlin den neuen Bundesländern bereits Ende Oktober vergangenen Jahres angeboten, ab Januar 2006 mit seinem Liegenschaftsfonds als so genannter Geschäftsbesorger für die neuen Länder das Gelände zu vermarkten. Damals war es nicht zur Berliner Übernahme gekommen, weil die von den Ländern für die Nalepastraße eingesetzte Liegenschaftsgesellschaft Sachsen-Anhalt (Limsa) das Gelände eine Woche darauf an die Bau und Praktik verkauft hatte.
Die laxe Ausgestaltung des Kaufvertrages ließ Experten erstaunt zurück: Es gab weder Spekulationsfristen noch eine bindende Verpflichtung zum Erhalt des Medienstandorts. Auch sollten die Länder als Vorbesitzer nicht an künftigen Verkaufserlösen beteiligt werden. Wolf liegt nun nach eigenen Angaben seit vergangenem Donnerstagabend ein Dokument vor, das eine Anfechtung des Vertrages möglicherweise erleichtern könnte. Danach hatte die Bau und Praktik bereits Wochen vor dem eigentlichen Kauf des Geländes mit einem damaligen Geschäftspartner – einem Bauunternehmer auf dem Rundfunkgelände – die Filettierung des Geländes und die Aufteilung der Gewinne mit einem Vertrag besiegelt. Ein Erhalt des Medienstandortes war demzufolge nie gewollt.
Die Landesregierung Sachsen-Anhalt hat bereits Strafanzeige gegen unbekannt wegen Betrugs- und Untreueverdachts gestellt. Finanzsenator Sarrazin freilich sieht wenig Chancen auf eine Rückübertragung des Geländes an die Länder.
Bei dem Chaos um die Nalepastraße sei dem Senat nichts vorzuwerfen, befanden Wolf und Sarrazin gestern unisono. Den Schlamassel habe allein die Limsa zu verantworten. Berlin habe zwar dem Verkauf (rechtlich nicht bindend) widersprochen, aber aufgrund seines geringen Anteils am Gelände keinen Handlungsspielraum gehabt, so der Finanzsenator: „8,5 Prozent haben widersprochen, 91,5 Prozent haben verkauft.“
Die Opposition sieht das anders. „De facto hat es niemals ernsthafte Bemühungen seitens des Senats gegeben, diesen Medienstandort zu sichern“, sagte Lisa Paus (Grüne). Und Michael Braun (CDU) warf Sarrazin vor: „Das hat Sie alles gar nicht interessiert.“