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Archiv-Artikel

Lechzen nach Höherem

Die Bundesliga vor dem Start (7): Borussia Dortmund wähnt sich wieder europareif

Was bleibt von der WM? Stress in der Innenverteidigung: WM-Tourist Christian Wörns hat Nebenspieler Christoph Metzelder die WM-Teilnahme immer noch nicht verziehen. Der Grund: Metzelder wusste schon Wochen vor der offiziellen Bekanntgabe, wie der WM-Kader aussehen wird – und behielt die Info für sich. Am Wochenende gab’s eine vermeintliche Aussprache. Man habe die Angelegenheit „unter Männern geregelt“. So sagte es Metzelder. Wer dabei war, das sagte er nicht. Was brachte die WM sonst noch? Mit Joker David Odonkor besitzt Borussia Dortmund den Prototypen des neuen Rechtsaußen. Die wichtigsten Eigenschaften: schnell, schnell und schnell – auch auf internationalem Parkett.

Wer sind die Stars? Mit Nelson Valdez und Alexander Frei wurden zwei Angreifer verpflichtet. Keine echten Stars, aber zumindest zwei Spieler, für die der finanziell schwer einzuschätzende Klub mal wieder etwas Geld lockermachen musste. Valdez kostete 4,7 Millionen Euro, Frei 4,1 Millionen. Die zehn Millionen aus dem Rosicky-Transfer wurden also konsequent reinvestiert. Als Nachfolger für den Tschechen als Motor im Mittelfeld wurde Steven Pienaar von Ajax Amsterdam geholt – ablösefrei. Vor allem der Toretat soll dadurch gesteigert werden. 45 waren es in der abgelaufenen Saison. Sogar die Absteiger Köln und Kaiserslautern haben häufiger getroffen. Immerhin: Die Vorbereitung lässt immerhin hoffen, dass der BVB nach langer Flaute mal wieder auf dem Transfermarkt erfolgreich war. Valdez und Frei treffen – ins Tor.

Was macht der Trainer? Platz fünf bis zwölf gab Bert van Marwijk in der vergangen Saison als Saisonziel aus – und ließ damit mächtig Raum für Spekulationen. Am Ende war es Rang sieben. Okay. In der kommenden Saison muss es ein Uefa-Cup-Platz sein. Woher nimmt der ewig grübelnde Holländer plötzlich seinen Optimismus? Als er vor zwei Jahren beim BVB begann, wurde er vom drohenden Konkurs überrascht und drohte mit der Vertragsauflösung. Der Presse warf van Marwijk eine „permanent negative Sichtweise“ vor. Er schaffte es dennoch, die Mannschaft zu stabilisieren, machte den 16-jährigen Nuri Sahin und das kaum ältere Eigengewächs Marc-André Kruska zum Stamm-, den oft als Leichtathleten verspotteten David Odonkor zum Nationalspieler. Mittlerweile wird Bert van Marwijk von den Medien geachtet und von den Fans gefeiert. Vor drei Wochen hat er noch schnell seinen Vertrag verlängert. Bis 2008.

Wie sieht die Taktik aus? Möglichst mehr Tore schießen. Ebi Smolarek als einzige, oftmals hängende Spitze, dürfte ausgedient haben. Frei und Valdez bilden den Zweier-Angriff. Daneben und dahinter scheint im 4-3-1-2-System vieles offen: Gesetzt sind Torhüter Roman Weidenfeller, Kapitän Wörns, Leonardo Dede und Sebastian Kehl. Der Rest muss hoffen. Selbst Rechtsaußen Odonkor ist ein unsicherer Kantonist: „Er macht mir zu viele Flüchtigkeitsfehler“, sagt Bert van Marwijk.

Sind die Fans glücklich? Eher tapfer. Zwei Jahre begleiteten sie mit tibetanischem Gleichmut den Neuaufbau im Bundesliga-Mittelmaß. Jetzt sollte es schon ein bisschen mehr sein – ansonsten könnte die Gelassenheit in Enttäuschung umschlagen. Dazu belasten die neuen Trikots die Gemüter. Gelbweiße Streifen auf dem Trikot können bislang vor allem die Rentnerfraktion überzeugen: „Früher war dat so.“ Unterstützung kommt von BVB und Boulevard (Bild). „Dortmund ist schwarzgelb“, kontern die Spätgeborenen. Ende offen. Immerhin bleibt der Dauerkartenverkauf unberührt: 45.000 sind Bundesliga-Spitze.

Die Prognose: Platz vier. Der Trainer hat Recht. Nur Bayern und Bremen sind außer Reichweite. Nach zwei Jahren der Konsolidierung ist Europa daher Pflicht. Verantwortliche und Fans lechzen danach. Dafür sprechen: der Trainer, die Neuzugänge und der vermeintliche Reifeprozess der Jugend – natürlich nur, wenn Metzelder und Wörns sich wieder lieb haben.

Der X-Faktor: Das Ausrufezeichen! Der neue Hauptsponsor RAG will an die Börse und konnte sich auf dem Weg dorthin bislang auf keinen neuen Namen einigen. So prangt nun ein „!“ auf den BVB-Trikots. Das Problem ist jedoch: Selbst der Börsengang des ehemaligen Kohlekonzerns steht noch in den Sternen. Es gibt eine Ausstiegsklausel im Sponsorenvertrag. Ein Spiel um jede Menge Kohle. Und was bleibt? Ein dickes Fragezeichen!

HOLGER PAULER