: Hinter cremefarbenen Fassaden
HAUSBESUCH An Liebeskummer ging Silvia Fauck fast zugrunde. Heute verdient sie ihr Geld mit gebrochenen Herzen
VON MARLENE GOETZ (TEXT) UND AMÉLIE LOSIER (FOTOS)
Berlin-Wilmersdorf, eine ruhige Gegend im Westen der Stadt, zu Besuch bei Silvia Fauck (60).
Draußen: Ein Altbau mit neu sanierter, cremefarbener Fassade. Im Erdgeschoss eine Buchhandlung, darüber im ersten Stock die Fenster von Silvia Faucks Wohnung. Und die ihrer Praxis: „Die Lebens- und Liebeskummerpraxis. Beratung – Coaching – Seminare“ steht auf dem hellblauen Schild neben dem Eingang.
Drin: Hohe Decken, Stuck, Parkettboden. Das Bad ist weiß und blitzsauber, in der Luft ein Parfumduft, auf dem Fensterbrett Muscheln und Steine in durchsichtigen Gläsern. Silvia Faucks Liebeskummerpraxis ist ein großes Zimmer mit Balkon. In der Mitte hängt eine riesige Designerlampe von der Decke – ein Gestell mit Zetteln, manche weiß, andere beschrieben. („Das Geschenk meiner Freunde und Kinder zu meinem 60. Geburtstag, alle haben zusammengelegt“). Auf einem Schrank stehen dicht an dicht ein Dutzend Fotos mit Autogrammen Prominenter wie Günter Jauch und Ina Müller („Leute mit denen ich im Fernsehen zu sehen war“). Silvia Faucks Bücher sind auf einem Tisch arrangiert: Alle handeln von Liebeskummer, mit Titeln wie „SOS Herzschmerz“ oder „Die sieben Fallen der Liebe“. Auf dem Couchtisch eine Schale voll rosa Bonbons mit Herzen und ein Stapel loser Taschentücher.
Was macht sie? Silvia Fauck ist psychologische Beraterin, Mediatorin, Coach und Buchautorin, bekannt geworden mit dem Thema Liebeskummer. 2002, ein Jahr nach der Eröffnung ihrer ersten Praxis in Hamburg – psychologische Beratung für alle Lebenskrisen – erlebte sie selbst, wie ein gebrochenes Herz krank machen kann. „Ich hatte eine Gallen-OP, Panikattacken, Angstzustände, Migräne, starke Depressionen und permanente Selbstmordgedanken“, sagt sie. Mittlerweile sei Liebeskummer als Krankheit anerkannt. „In Japan gibt es sogar eine Firma, in der man fünf Tage frei bekommt im Falle von Liebeskummer.“ Doch damals fand sie keine Anlaufstelle. Ein Jahr lang hielt sie durch („mich ernährt ja niemand“), dann spezialisierte sie sich auf das Thema Liebeskummer. Zehn Jahre später hat sie vier Bücher geschrieben und 42 Berater ausgebildet.
Was denkt sie? An erster Stelle steht bei Silvia Fauck die Arbeit: „Ich bin eigentlich mein Beruf“, sagt sie. „Nachts liege ich wach und denke an meinen letzten Klienten.“ Auf Platz 2 folgt die Familie, besonders ihr zweieinhalbjähriger Enkelsohn („der Mann in meinem Leben“). Auf dem Fotokalender im Büro sieht man ihn, wie er mit strenger Miene seine Großmutter untersucht. Könnte Silvia Fauck etwas an ihrem Leben ändern, hätte sie sich „andere Eltern ausgesucht, um eine bessere Schulausbildung zu bekommen.“ Sonst nichts.
Biografie: Über die vermögende großbürgerliche Familie, in die Silvia Fauck 1953 in Dortmund hineingeboren wurde, verliert sie nur ein Wort: „Schrecklich“. Mit sechzehn läuft sie weg, „mit einem Koffer in der Hand“, um nie wieder zurückzukehren. Sie schlägt sich durch, als Lernschwester („wie Krankenschwester, aber ohne Diplom“). „Das Helfersyndrom stand mir auf die Stirn geschrieben“, sagt sie und findet das astrologisch gesehen logisch („ich bin ja auch Jungfrau vom Sternzeichen“). Mit 21 Jahren kommt sie nach Berlin, wo sie in Charlottenburg („gleich durch Zufall richtig“) landet. Sie lernt ihren Mann kennen, dann die Hochzeit, zwei Töchter, 24 Jahre glückliches Familienleben. „Ich hatte keinen anderen Wunsch, als mich um die Kinder zu kümmern“, sagt Fauck. „Ich gehöre zu den Frauen, die es nicht gut finden, wenn Kinder einen Schlüssel um den Hals tragen.“ Als eine Tochter schon das Haus verlassen hat, geht die Ehe zu Ende („ganz in Ruhe“). Sie will endlich studieren und zieht nach Hamburg („Ich wollte etwas Eigenes, vielleicht auch eine eigene Stadt“). 1998 bis 2001 studiert sie an einer Heilpraktiker-Schule psychologische Beratung und beginnt dann zu praktizieren. Als Betreiberin der ersten „Liebeskummerpraxis“ in Deutschland muss sie lernen, mit dem großen Medieninteresse umzugehen. 2007 zieht sie mit ihrer Praxis nach Berlin zurück.
Das letzte Date? Vor etwa einem Jahr, „mit einem großen, blonden Mann mit blauen Augen“. Sie waren in einer Bar („extrem spannend und prickelnd“), beim zweiten Mal essen. Offiziell ist Silvia Fauck aber weiter Single. Das Ganze sei eine Sache „mit offenen Ende“, sagt sie und zeigt auf ein Foto auf dem Schreibtisch. Darauf sieht man den großen, blonden Mann, der sie küsst.
Die Hochzeit? Bei ihrer ersten Hochzeit in Berlin war Silvia Fauck 23 Jahre alt – kaum 30 Leute seien bei der Feier gewesen. Sie würde es noch mal versuchen: „Wenn der Richtige hinter der Tür stehen würde, würde ich sofort ‚Ja‘ sagen.“ Aber: „Was glauben Sie, wie mein Beruf die Männer abschreckt, vor allem die in meinem Alter.“
Einsam? „Überhaupt nicht!“ Ihr Enkelsohn Ben hat ein Zimmer bei ihr, dort übernachtet er oft freitags („damit die Eltern mal ausschlafen können“). Die beiden gehen auf den Markt vor der Haustür oder fahren mit Silvia Faucks Sportwagen. „Das ist unser Hobby, auch bei Regen und Eis sagt Ben: ‚Oma, Dach auf!‘ “
Der Alltag: Silvia Fauck steht zwischen sieben und acht Uhr auf („In meinem Alter braucht man nicht mehr so viel Schlaf.“), trinkt einen Kaffee und isst zwei Scheiben Toast, dann setzt sie sich in ihre Praxis. Da ihre meisten Klienten berufstätig sind („Eine Stunde kostet zwischen 80 und 100 Euro und wird nicht von den Krankenkassen übernommen.“), geht es erst gegen zwölf so richtig los. Ihr Job besteht vor allem darin, zuzuhören. Um sieben Uhr ist Schluss, dann geht sie mit Freunden essen („wenn ich nicht zu kaputt bin“).
Wie finden Sie Merkel? Politik und Politiker sind für Silvia Fauck ein schwieriges Thema. „Man kann keinem vertrauen, die haben alle Dreck am Stecken“, sagt sie. Dennoch kann sie sich keine bessere Kanzlerin als Merkel vorstellen. „Ich würde nur gerne mit ihr mal Klamotten kaufen.“
Wann sind Sie glücklich? „Wenn ich mit meiner Familie zusammen bin, wenn ein Klient motiviert aus meiner Beratungsstunde geht.“ Glücklich machen sie auch die Club-Urlaube, die sie sich mindestens einmal im Jahr leistet, „egal wo, Hauptsache: Sonne, Meer und Sand“. Und Hamburg: „Schon wenn der Zug im Bahnhof einfährt, könnte ich vor Freude heulen!“
■ Nächstes Mal treffen wir Anita Holzer-Massong und Mario Massong in Paunzhausen. Sie wollen auch einmal besucht werden? Mailen Sie an hausbesuch@taz.de