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Archiv-Artikel

Mütter können grausam sein

THEATER Das Theaterlabor traut sich an an ein selten gespieltes Stück von Einar Schleef und Hans-Ulrich Müller-Schwefe. Und geht dabei durchaus Risiken ein

Regisseur Schimanski und das Theaterlabor bescheren Bremen eine mutige Wiederentdeckung

von Andreas Schnell

„Mütter“ von Einar Schleef und Hans-Ulrich Müller-Schwefe wurde seit seiner Uraufführung in Frankfurt 1986 nur ein einziges Mal wieder aufgeführt. Was daher kommen mag, dass Schleef das Stück auf eine Weise inszeniert hatte, die Publikum und Presse seinerzeit nachhaltig verstörte. Zum anderen aber auch mit dem Stück selbst, das nicht nur einen Chor ins Zentrum stellt (was damals alles andere als angesagt war), sondern auch sprachlich fordert, und zwar Schauspieler wie Zuschauer.

Kreon, König von Theben, verwehrt dem geschlagenen Feind die Herausgabe der gefallenen Heerführer. Die Mütter der Gefallenen bitten König Theseus um Hilfe, damit sie ihre Toten begraben können. Das bedeutet Krieg. Den gewinnt Theseus. Was Anlass für den nächsten Krieg ist, in dem wieder geschieht, was in Kriegen offenbar auch damals schon neben all dem Gemetzel an Grausamkeiten geschah. Einiges wirkt frappierend aktuell. Da wird im Namen einer Art Menschenrechts in den Krieg gezogen, da gibt es eine hübsch pointierte Diskussion über Demokratie vs. Diktatur, da gibt es traumatisierte Kriegsheimkehrer, Kriegsverlierer, die ihr Heil wieder im Krieg suchen.

Schleef und Müller-Schwefe haben nun nicht nur massiv in die chronologische Reihenfolge der antiken Vorlagen von Aischylos und Euripides eingegriffen, sondern auch in die Sprache. Drastisch, aber nicht ohne bisweilen bitterbösen Witz. So wird ein Gefallener mit den Worten gewürdigt: „Bescheiden trat er auf, wie Ausländer es sollen.“ Dessen ungeachtet ist „Mütter“ schon das, was man gerne „schweren Stoff“ nennt. Voller „uralter Schwanzwut“, Rachlust, Götter, Kunstblut – und einem Chor, der auch bei Schimanski die Hauptrolle spielt.

Diese Hauptrolle füllte das neu formierte Ensemble bei seiner ersten Premiere noch nicht überzeugend aus, was der minimalistische Bühnenraum nicht auffangen konnte. Einige hübsche Ideen gibt es natürlich dennoch. Athene tritt als reizendes Drag-Dickerchen auf, Theseus als schnöseliger Lolli-Lutscher. Und nicht zuletzt, was nicht wenig ist, bescheren uns Schimanski und das Theaterlabor eine durchaus mutige Schleef-Wiederentdeckung.

■ Die nächsten Vorstellungen: Samstag (heute), Donnerstag, 26. bis Sa, 28. 8., 20 Uhr, Concordia