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Archiv-Artikel

US-Autogewerkschaft verliert

SÜDSTAATEN Im VW-Werk Chattanooga stimmen die Arbeiter mit knapper Mehrheit gegen die Gründung eines Betriebsrates. Rechte Politiker hatten Drohungen ausgesprochen

Der deutsche Konzern hatte das Vorhaben der US-Gewerkschaft gestützt

CHATTANOOGA afp/taz | Die Belegschaft des einzigen Volkswagen-Werks in den USA hat sich mit knapper Mehrheit gegen einen Betriebsrat nach deutschem Vorbild ausgesprochen. Gegen das Mitbestimmungsmodell stimmten 712 Mitarbeiter am Standort Chattanooga, nur 626 waren dafür, wie das Unternehmen in der Nacht zum Samstag mitteilte. Die Wahlbeteiligung lag demnach bei 89 Prozent. Die US-Autogewerkschaft UAW führte ihre Niederlage auf politische Einmischung von außen zurück.

„Die Belegschaft hat gesprochen, und Volkswagen wird die Entscheidung der Mehrheit respektieren“, erklärte Werkschef Frank Fischer nach der geheimen Abstimmung, die am Mittwoch begonnen hatte. Zugleich versprach er, die Belange und Rechte der Mitarbeiter zu achten – im Rahmen der US-Gesetze.

Unter dem Druck des VW-Gesamtbetriebsrats hatte der Wolfsburger Konzern im September Verhandlungen mit der UAW über eine Mitbestimmung für die Arbeitnehmer in Chattanooga aufgenommen. Mit Ausnahme Chinas gibt es in allen großen VW-Werken einen Betriebsrat. Geplant war laut VW ein Gremium, das die Interessen der Angestellten bei „internen Angelegenheiten“ in dem Werk vertreten sollte. Arbeitszeit und Gehälter sollten zwischen dem Unternehmen und der UAW ausgehandelt werden.

Der UAW-Finanzsekretär Dennis Williams erklärte nach der Abstimmung, seine Gewerkschaft sei „empört“ über „Politiker und Lobbygruppen, die sich in das grundlegende Recht der Arbeiter zur Gründung eines Betriebsrates eingemischt haben“. Zugleich sei man „stolz, dass diese Arbeiter mutig waren und sich dem enormen Druck von außen entgegengestemmt haben“.

Der UAW-Vorsitzende Bob King kritisierte, dass Politiker wie der republikanische Senator Bob Corker Volkswagen und den Arbeitern Konsequenzen angedroht hätten, falls sie für einen Betriebsrat stimmen sollten. Er ließ offen, ob die Gewerkschaft das Ergebnis anfechten wird. In den kommenden Tagen würden die rechtlichen Möglichkeiten geprüft, sagte King. Örtliche Politiker hatten vor der Abstimmung gewarnt, dass eine gewerkschaftliche Organisation der Arbeiter neue Arbeitsplätze im betroffenen Bundesstaat Tennessee im Süden der USA gefährden könnte. Sogar den Entzug von Subventionen für Volkswagen drohten sie an.

Für die angeschlagene UAW, die binnen 35 Jahren drei Viertel ihrer Mitglieder verloren hat, wäre das Modell nach deutschem Vorbild ein historischer Erfolg mit möglicher Signalwirkung gewesen: Denn bislang hat kein Werk eines ausländischen Automobilkonzerns in den USA einen Betriebsrat. Kein Wunder, dass die Konservativen mobil machten.

Die UAW spielt nur in den traditionellen Hochburgen der US-Autoindustrie im Norden und Mittleren Westen eine Rolle. Tennessee hat wie andere konservative Bundesstaaten im Süden der USA die Macht der Gewerkschaften per Gesetz ausgehebelt. Das Votum der VW-Arbeiter könnte nach Ansicht des Branchenexperten Jack Nerad „das Ende der Hoffnungen für die Gewerkschaft bedeuten, in den südlichen Fabriken Fuß zu fassen“.