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Archiv-Artikel

Kuckucksuhren für Horst Köhler

SPASSGUERILLA AktivistInnen jubeln dem ehemaligen Bundespräsidenten eine gefälschte Biografie unter: Es geht um Argentinien, Metzgersöhne und eine Tagung in Warschau

BERLIN taz | Da stand es also tatsächlich: Horst Köhler, seines Zeichens deutscher Bundespräsident außer Dienst, sei „eine zentrale Figur in der argentinischen Finanzkrise 2001“ gewesen und habe „sich selbst als rechtschaffener Glaubensanhänger der neoliberalen Politik“ erwiesen. Geschrieben auf der Website des „Executive Clubs“, der damit für Köhlers Teilnahme an einem Elite-Treffen in Warschau warb. Außerdem pries die Biografie: Horst Köhler, Sohn eines Metzgers, sei vor allem für seine beeindruckende Sammlung von Kuckucksuhren bekannt. Leute mit feinem Humor fanden noch ein paar andere Nettigkeiten in den wenigen Zeilen seiner Biografie.

Tatsache ist: Die Veranstalter des „European Executive Forum“, bei dem im April in Warschau Führungskräfte aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zusammenkommen sollen, sind auf eine Gruppe deutscher Spaßguerillas hereingefallen, die die Seite horst-koehler-consulting.de betreibt. Dahinter steckt der Berliner Aktionskünstler, Clown und frühere taz-Kolumnist Jean Peters. Er hatte 2010 direkt nach Köhlers Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten die Homepage online gestellt.

Köhler hatte seinen Rücktritt mit der Kritik an seinen Äußerungen zu Afghanistan begründet. „Im Notfall“ sei auch militärischer Einsatz notwendig, „um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege“, hatte Köhler zuvor gesagt.

Schon damals gab es Ärger um die Website, laut deren Darstellung auch Helmut Kohl als „Head of Secret Accountance“ zu Köhlers Consulting-Truppe gehören sollte. Ein ominöser Absender, vermeintlich aus dem Bundesverwaltungsamt, wollte die Seite stilllegen. Das Amt dementierte dies stets.

Die Veranstalter des Warschau-Treffens wandten sich nun an die vermeintliche Agentur und baten um eine Biografie. Sie wunderten sich auch nicht, als ihnen Köhlers beeindruckende Sammlung von Kuckucksuhren untergejubelt wurde.

Zuletzt hatte die Gruppe für Aufsehen gesorgt als deren Aktivist Jean Peters einen „Science Slam“ des Ölkonzerns Shell sprengte. Peters hatte unter falschem Namen angekündigt, einen Motor vorzustellen, der die Luft reinigen würde. Das gefiel Shell.

Bei der Vorstellung flog der Motor allerdings in die Luft und verspritzte literweise Öl-Imitat. Der Protest richtete sich gegen Ölbohrungen in der Arktis.

Ein Sprecher aus dem Büro von Horst Köhler reagierte auf eine Anfrage der taz nach dessen Biografie erheitert. Ihm sei nicht bekannt, dass Köhler eine Kuckucksuhrensammlung besitze. Tatendrang folgte dann trotzdem: Kurz nach der Anfrage war die Köhler-Bio vom Netz. Zum Kuckuck. MARTIN KAUL