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Archiv-Artikel

„Ich liege und schlafe und erwache“

Seine Heiligkeit Papst Benedikt XVI. äußert sich im exklusiven taz-Gespräch über das schwere Erbe seines Vorgängers, die Bauweise des Papamobils, sein Modewusstsein und seine pontifikalen Schlafgewohnheiten

INTERVIEW RICHARD NÖBEL

taz: Euer Heiligkeit, darf ich mich zunächst nach Euer Heiligkeit Befinden erkundigen?

Seine Heiligkeit, Papst Benedikt XVI.: Hui!

Das ist ja erfreulich. Die Sommerfrische hier in Castel Gandolfo scheint Euer Heiligkeit zuträglich.

Auf allen hohen Hügeln und unter allen grünen Bäumen, die ein jeder nach seiner Art Früchte tragen, in denen ihr Same ist, verlockend anzusehen Palmwedel und Zweige von Laubbäumen und Bachweiden, Zedern, Kiefern, Fichten und Eichen …

gewiss, Euer Heiligkeit …

… und alle die Sträucher auf dem Felde und all das Kraut auf dem Felde und weiße, rote und blaue Tücher, mit leinenen und scharlachroten Schnüren eingefasst, und Polster, golden und silbern, auf grünem, weißem, gelbem und schwarzem Marmor.

Polster, Euer Heiligkeit?

Auf einem Kissen ein wenig schlafen und ein wenig schlummern und ein wenig die Hände zusammentun.

Sicherlich ist Euer Heiligkeit Schlaf hier erquickender als in Rom.

Wie die Kühle des Schnees zur Zeit der Ernte. Bleibt doch der Schnee länger auf den Steinen im Felde, wenn’s vom Libanon herab schneit, und das Regenwasser verläuft sich nicht so schnell …

Euer Heiligkeit Beobachtungsgabe ist wirklich erstaunlich …

… denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und lässt wachsen, dass sie gibt Samen, und jedes Kleid und jedes Fell, das mit solchem Samen befleckt ist, soll abgewaschen werden mit Wasser …

und?

Und alle Wasser laufen ins Meer, doch wird das Meer nicht voller; an den Ort, dahin sie fließen, fließen sie immer wieder, und alles Reden ist so voll Mühe, dass niemand damit zu Ende kommt. Man gedenkt derer nicht, die früher gewesen sind, und derer, die hernach kommen; man wird auch ihrer nicht gedenken bei denen, die noch später sein werden.

Mit Euer Heiligkeit Wahl haben Euer Heiligkeit ein Erbe angetreten …

… ein unvergängliches und unbeflecktes und unverwelkliches Erbe, das aufbewahrt wird im Himmel …

so geruhen Euer Heiligkeit das Automobil von Euer Heiligkeit Vorgänger, Seiner Heiligkeit Papst Johannes Paul II. …

Vier Räder sind unten an den Seiten, und die Achsen der Räder sind am Gestell. Jedes Rad ist anderthalb Ellen hoch. Es sind Räder wie Wagenräder, und ihre Achsen, Naben, Speichen und Felgen sind alle gegossen. Und die vier Träger auf den vier Ecken eines jeden Gestells sind auch am Gestell. Und oben auf dem Gestell, eine halbe Elle hoch, rundherum, sind Griffe und Leisten am Gestell.

Euer Heiligkeit sind ausgezeichnet informiert.

Unser Wissen ist Stückwerk, und unser prophetisches Reden ist Stückwerk, denn ein jeder Mann, der prophetisch redet und hat etwas auf dem Haupt, der schändet sein Haupt, eine Frau aber, die prophetisch redet mit unbedecktem Haupt, die schändet ihr Haupt, denn es ist gerade so, als wäre sie geschoren. Wer aber prophetisch redet, der redet den Menschen zur Erbauung und zur Ermahnung und zur Tröstung …

wie wahr, Euer Heiligkeit, aber darf ich …

… zur Tröstung in aller unserer Trübsal, damit wir auch trösten können, die in allerlei Trübsal sind, mit dem Trost, mit dem wir selber getröstet werden.

Wie wahr, wie wahr, und mit Euer Heiligkeit Erlaubnis möchte ich Euer Heiligkeit so trefflich skizzierten Gedanken vom Erbe aufgreifen, als da wären …

Betten, Becken, irdene Gefäße, Weizen, Gerste, Mehl, geröstete Körner, Bohnen, Linsen, Honig, Butter, Kuh- und Schafkäse …

wobei Verderbliches …

… und Untergewänder aus feiner Leinwand und hohe Mützen aus feiner Leinwand und Beinkleider aus gezwirnter feiner Leinwand und Gürtel in Buntwirkerarbeit aus gezwirnter feiner Leinwand, blauem und rotem Purpur und Scharlach …

ein gewichtiges Erbe, Euer …

… und siebentausend Schafe, dreitausend Kamele, fünfhundert Joch Rinder und fünfhundert Eselinnen und sehr viel Gesinde.

dessen Schwere Euer Heiligkeit nicht Euer Heiligkeit Schlaf rauben möge.

Ich liege und schlafe und erwache.

Auf welcher Seite, Euer Heiligkeit?

Auf der einen Seite, auf der anderen Seite die anderen.

Werden Euer Heiligkeit von Träumen heimgesucht?

Als die Brunstzeit kam, hob ich meine Augen auf und sah im Traum, und siehe, die Böcke, die auf die Herde sprangen, waren sprenklig, gefleckt und bunt, wo nur etwas Weißes daran war, und alles, was schwarz war unter den Lämmern …

was womöglich auf eine Vorliebe Euer Heiligkeit für Farben hindeutet.

Ich habe mein Bett schön geschmückt mit bunten Decken aus Ägypten.

Ist es da nicht betrüblich, …

Unsre Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit, uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare …

nicht betrüblich, Euer Heiligkeit, …

… denn was sichtbar ist, das ist zeitlich, was aber unsichtbar ist, das ist ewig.

wenn Euer Heiligkeit so oft eine weiße Soutane tragen müssen?

Darüber muss ich klagen und heulen, ich muss barfuß und bloß dahergehen; ich muss klagen wie die Schakale und jammern wie die Strauße.

Es stünde in Euer Heiligkeit Ermessen …

Der Schurz sollte sein aus Gold, blauem und rotem Purpur, Scharlach und gezwirnter feiner Leinwand, kunstreich gewirkt, und die Binde, die daran ist, um ihn anlegen zu können, sollte von derselben Arbeit und aus einem Stück mit ihm sein, aus Gold, blauem und rotem Purpur, Scharlach und gezwirnter feiner Leinwand, und die Brusttasche sollte sein wie der Schurz, kunstreich gewirkt, aus Gold, blauem und rotem Purpur, Scharlach und gezwirnter feiner Leinwand …

herrlich, Euer Heiligkeit …

… und besetzt mit vier Reihen aus Steinen, und die erste Reihe sollte sein ein Sarder, ein Topas und ein Smaragd, die andere ein Rubin, ein Saphir und ein Diamant, die dritte ein Lynkurer, ein Achat und ein Amethyst, die vierte ein Türkis, ein Onyx und ein Jaspis …

herrlich und schön …

… und das Obergewand unter dem Schurz sollte ganz aus blauem Purpur sein, und oben in der Mitte sollte eine Öffnung sein und eine Borte um die Öffnung herum in Weberarbeit wie bei einem Panzerhemd, dass sie nicht einreiße, und an seinem Saum sollten Granatäpfel sein aus blauen und rotem Purpur und Scharlach ringsherum und zwischen ihnen goldene Schellen auch ringsherum, dass eine goldene Schelle sei, danach ein Granatapfel, und wieder eine goldene Schelle …

Euer Heiligkeit …

… und wieder ein Granatapfel ringsherum an dem Saum des Obergewandes, dass man den Klang höre beim Umhergehen, und das Stirnband sollte sein aus feinem Golde und geheftet an eine Schnur aus blauem Purpur vorn an den Kopfbund und sollte allezeit an der Stirn sein, dass sie wohlgefällig sei …

Euer Heiligkeit, darf ich …

… und auch das Untergewand sollte kunstreich gewirkt sein aus feiner Leinwand und ein buntgewirkter Gürtel und hohe Mützen, herrlich und schön, und leinene Beinkleider, die Blöße zu bedecken, von den Hüften bis an die Schenkel.

Darf ich Euer Heiligkeit fragen, wie Euer Heiligkeit zu Euer Heiligkeit Stimme gekommen sind?

Die Stimme ist Jakobs Stimme, aber die Hände sind Esaus Hände.

Euer Heiligkeit, wir danken Euer Heiligkeit für dieses Gespräch.

Bei der Formulierung seiner Aussagen hat Seine Heiligkeit Literatur benutzt: 1. Mose 1, 12; 2, 5; 2, 9; 27, 22; 30, 35; 31, 10. 2. Mose 15, 17; 28, 6; 39, 27. 2. Sam 17, 28. 1. Kön 7, 32; 14, 23. Est 1, 6. Hiob 1, 3; 39, 25. Ps 3, 6. Spr 6, 4; 7, 16; 25, 13. Pred 1, 7. Jes 44, 14; 55, 10. Jer 18, 14. Hes 40, 13. Mi 1, 8. Mk 4, 38. 1. Kor 11, 4; 13, 9; 14, 3. 2. Kor 1, 4; 4, 17. Phil 2, 27. 1. Petr 1, 4.