: Antispaßfußball-Doppelsechs
Der FC Bayern München würgt sich zu einem 0:0 gegen Nürnberg. Dennoch sind die Münchner überzeugt davon, dass bald schon alles besser wird. Neuzugang Mark van Bommel soll das bis dato geleugnete Ballack-Loch im Mittelfeld stopfen
aus münchen thomas becker
Wenigstens einer hat sich so richtig geärgert: Lucimar da Silva Ferreira, genannt Lucio. Mit aktivierter Zornesfalte zwischen den Augenbrauen stiefelte der Brasilianer nach dem Schlusspfiff im Geschwindschritt Richtung Kabine, vorbei an jubelnden Nürnbergern und irgendwie semi-enttäuschten Münchnern. Keine Lust auf Handshakes und „Dankefürsspiel“.
Minuten zuvor war er bei einem seiner Vorstöße wieder einmal gescheitert, was in einen gewaltigen Tritt gegen den in diesem Fall sicher völlig schuldlosen Torpfosten mündete. 20 Treffer in 157 Bundesligaspielen hat der Innenverteidiger immerhin erzielt. Gegen Nürnberg ging er leer aus – so wie alle anderen Bayern-Kicker auch. Erstmals blieb der FC Bayern in der Fröttmaninger Arena ohne Treffer. Und was sagen sie dazu, die Münchner? „Na und?“, sagen sie. Öha!
Die Saison ist gerade mal drei Spieltage alt, doch wie sich der Meister seit Wochen verbal auf seine tolle Form freut, die dann im September vorbeikommt, das sind schon richtige Hinhörer. Käpt’n Kahn: „Es wäre ja fatal, wenn wir jetzt schon in Topform wären.“ Und: „Dieses Spiel in Barcelona (Bayern verlor 0:4, Anm. d. Red.) ist für’n Arsch.“ Trainer Magath: „Ich bin tief erschüttert, dass wir mit sieben Punkten nach drei Spieltagen nur auf Platz drei der Tabelle stehen.“ War ein Jokus, klar. Ernst meint er dagegen: „Sieben Punkte aus drei Spielen – damit können wir gut leben.“ Manager Hoeneß: „Ich bin nicht so traurig. Es ist doch nichts passiert, es ist alles okay.“ Na dann.
Doch Nürnbergs erster Punktgewinn in München seit fünf Jahren war nur ein Teil dieses sehr interessanten Samstagnachmittags. Großen Raum nahm wieder mal das Mittelfeld des FC Bayern ein: Der Immer-noch-nicht-Manchesterer Owen Hargreaves, der sich nach nur einer Trainingseinheit wegen Grippe nun selbst einen Bankplatz verordnete. Der Ganz-frisch-Bayer Mark van Bommel, für sechs Millionen Euro vom FC Barcelona verpflichteter Ballack-Ersatz. Und die Antispaßfußball-Doppelsechs mit Ottl und Demichelis, die zur defensivsten aller Bayern-Aufstellungen in einem Heimspiel führte. Die Kreativabteilung bestand aus zweieinviertel Mann: Schweinsteiger und Makaay – Dauertraber Santa Cruz konnte man wirklich nicht mitzählen. Auf der Bank: die Kreativen Karimi (Saisonspielzeit: null Minuten), Scholl (Saisonspielzeit: fünf Minuten), dos Santos (Saisonspielzeit: zwei Minuten). Wie viel Vertrauen hat Felix Magath eigentlich in diese Spieler?
Die Erklärung gab Uli Hoeneß, als er den Bommel-Transfer erklärte: „Wir hatten das Gefühl, dass da ein ziemliches Loch hinter den Spitzen ist, im zentralen Mittelfeld. Wir haben eine junge Mannschaft, die ein bisschen anlehnungsbedürftig ist.“ Und die Idee, das Ballack-Loch mit dem vorhandenen Personal zu schließen? „Das ist nicht so gelungen.“ Zwei Spieltage lang währte die zuvor auch beim Publikum eingeforderte Geduld. Das Vorhaben, Santa Cruz oder Schweinsteiger auf Ballacks Position spielen zu lassen, ging Magath erst gar nicht an.
Nun also der Niederländer van Bommel. 29 Jahre, 40 Länderspiele, in Barcelonas Weltelf nur Teilzeitarbeiter. Schon im vergangenen Jahr vor seinem Wechsel von Eindhoven waren die Bayern am Schwiegersohn von Dortmunds Coach van Marwijk dran, auch in diesem Frühjahr gab es wieder Kontakte. „Zu Beginn der Woche kamen Signale, dass er gerne zu uns kommen würde“, sagte Hoeneß, „da haben wir schnell reagiert.“ Kein klassischer Spielmacher, eher ein „Achter“. Magath sieht „Elan und Vorwärtsdrang“ als entscheidende Stärken des Zugangs. Beim Pokalspiel in St.Pauli könnte er erstmals das Bayern-Dress tragen.
Landsmann Makaay freut sich natürlich, hatte aber genug mit sich selbst zu tun, so ärgerte er sich über seine vergebene Riesenchance kurz nach der Halbzeit. Dass dann auch noch er ausgewechselt wurde und nicht der bewegungsstarre Santa Cruz, bekam er gar nicht richtig mit: „Ich war so sauer auf mich selbst, da ich hatte gar keine Zeit, mich darüber zu ärgern.“
Während der Stürmer noch mit sich haderte, marschierte hinter ihm ein anderer Mürrischer vorbei: Lucio, im Schlepptau Sohn und Tochter. Denen hat er seinen unbedingten Siegeswillen schon bei der Taufe mitgegeben: Die Kleinen heißen Victoria und Joao Victor. Sollten sich die Bayern schon mal merken, die Namen.
MÜNCHEN - NÜRNBERG 0:0Bayern München: Kahn - Sagnol, Lucio, van Buyten, Lahm - Salihamidzic, Ottl (57. Scholl), Demichelis, Schweinsteiger - Santa Cruz (79. Pizarro), Makaay (58. Podolski)1. FC Nürnberg: Schäfer - Reinhardt, Wolf, Glauber, Pinola - Galasek - Polak (75. Kristiansen), Mnari, Banovic (79. Mintal) - Schroth, SaenkoZuschauer: 69.000 (ausverkauft)