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Archiv-Artikel

Köpenicker Sticheleien in Richtung Westberlin

ZWEITE LIGA Vor dem Berliner Derby beschwert sich Union über geheim gehaltene Subventionen für Herthas Wiederaufstieg

AUS BERLIN JOHANNES KOPP

„Inakzeptabel, unfassbar“, hörte man sie diese Woche in Köpenick schimpfen. „Sauerei“, zischte man aus Charlottenburg zurück. Zu guter Letzt wurde also doch noch ein zünftiger Konfliktstoff für das heutige Stadtduell gefunden. Hertha BSC ist zu Gast bei Union Berlin. Mehr als ein halbes Jahrhundert sind sich die beiden Vereine in einem Punktspiel nicht begegnet. Erst der Hertha-Abstieg machte das Aufeinandertreffen möglich. Entsprechend fremd ist man sich bis heute geblieben. Im Grunde genommen war das bislang alles, was man zum Verhältnis dieser beiden Klubs sagen konnte.

Doch weil die Berliner Morgenpost just dieser Tage enthüllte, dass Hertha derzeit mietfrei im Olympiastadion logiert, hat sich ein Graben zwischen Union und Hertha aufgetan. Wie sich herausstellte, hatte das Land Berlin, der Eigentümer der Hertha-Spielstätte, bereits vergangene Saison dem Klub 2,5 Millionen Euro gestundet. Derselbe Betrag wäre auch für diese Saison fällig gewesen. Hertha muss aber auch diese Abgaben erst später entrichten. Der Berliner Senat rechtfertigte diese geheim gehaltene Art der Kreditvergabe damit, dass Hertha der Lizenzverlust und dem Senat dadurch dauerhafte Mietausfälle drohten. Union sieht aber in dieser Form der Unterstützung eine Wettbewerbsverzerrung. Hätte es die nicht gegeben, wäre Hertha gezwungen gewesen, den kolumbianischen Stürmer Adrian Ramos zu verkaufen, der nun heute möglicherweise gegen Union zur spielentscheidenden Figur werden könnte. So argumentierte Union-Präsident Dirk Zingler, der in dem Vorgang eine grundsätzliche Bevorzugung des Westteils der Stadt erkennen wollte.

Man kann Zingler vorwerfen, in seiner Begründung ein paar Konjunktive zu viel aneinandergereiht zu haben. Unbestritten ist gewiss die Ungleichbehandlung. Wobei auch das nichts Neues ist. Meist kaprizieren sich die Stadtoberhäupter beim Verteilen von Steuergeldern auf den Fußballklub mit den vermeintlich größten Ambitionen.

Bei Hertha, wo man gerade noch nach dem optimalen Zweitligastart (neun Punkte aus drei Spielen) bester Dinge war, reagierten die Verantwortlichen gereizt. Der eher für sein sperriges Diplomatendeutsch bekannte Manager Michael Preetz keilte derbe zurück, er fände das von Union angeführte Beispiel mit Ramos eine „Sauerei“. Ansonsten beschied er die Fragenden meist mit dem Satz: „Kein Kommentar.“ Für die taz war er wegen seines vollen Kalenders für keine Stellungnahme zu erreichen. Und Peter Bohmbach, der Leiter für Öffentlichkeitsarbeit, bedauerte, dass auch Ingo Schiller, der Geschäftsführer für Finanzen, nicht zu sprechen sei, da er exakt dieselben Termine wahrzunehmen habe wie Preetz.

Dass der sportliche Leiter keinen Schritt mehr ohne seinen Finanzexperten macht, mag man zwar nicht so ganz glauben. Andererseits gilt es zu bedenken, dass Hertha trotz seiner sportlich bislang makellosen Bilanz in einer verzwickten Lage steckt. Um den direkten Wiederaufstieg zu schaffen, hat sich der Verein mit den meisten Schulden in der Zweiten Liga den höchsten Etat aufgebürdet. Die Personalkosten von Hertha liegen sechs Millionen über dem Durchschnittswert der Liga. Einige ehemalige Erstligisten, die im ersten Zweitligajahr weit über das gewöhnliche Maß hinaus Geld ausgaben, wie der Karlsruher SC, Kaiserslautern oder 1860 München, haben bis heute darunter zu leiden. Herthas Präsident Werner Gegenbauer betonte jüngst: „Vom Etat her sind wir für diese eine Saison kein normaler Zweitligist.“ Im Klartext heißt das: Der große Wurf muss sofort gelingen.

Schon der dritte Platz, der nur zu den Relegationsspielen berechtigt, könnte den Verbleib in der Liga und damit eine radikale Rosskur zur Folge haben. Umso erleichterter war man bei Hertha, dass es in den vergangenen Wochen geglückt ist, eine Stimmung der Harmonie und des Aufbruchs zu erzeugen. Der neue Trainer Markus Babbel erwarb sich im Verein und bei den Fans reichlich Sympathien, wie es in den letzten Jahren keinem seiner Vorgänger vergönnt war. Der teuerste Zugang Rob Friend (1,5 Millionen Euro) erwies sich bislang wie erhofft als rustikaler und effizienter Stoßstürmer. Und selbst der abwanderungswillige Ramos hat sich wunderbar ins Team reintegriert.

Die Diskussion darum, dass Hertha den Offensiven womöglich nur aufgrund von Taschenspielertricks mit dem Senat halten konnte, hat nun wieder die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, welchen Drahtseilakt der Verein in dieser Saison zu bewältigen hat. Und es ist offenbar geworden: Dieser findet unter noch schwierigeren Bedingungen statt, als bisher angenommen wurde. Verständlicherweise hätten die Hertha-Verantwortlichen das lieber geheim gehalten – so wie man das mit dem Berliner Senat auch vereinbart hatte.