Wer hat geschossen?

ABGEHÖRT Propaganda-krieg um Telefonat

BERLIN taz | Wurde das Massaker an Dutzenden Demonstranten durch Scharfschützen auf dem Maidan in Kiew am 20. Februar im Auftrag der neuen Machthaber der Ukraine verübt? So manche Verschwörungstheoretiker sind davon überzeugt, seit der russische Staatssender Russia Today am Mittwoch ein abgehörtes Telefonat zwischen der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton und Estlands Außenminister Urmas Paet ins Internet gestellt hat. Darin berichtet Paet, einer „Olga“ in Kiew zufolge seien Demonstranten und Sicherheitskräfte von denselben Schützen erschossen worden. „Es gibt jetzt ein immer stärkeres Verständnis, dass hinter den Scharfschützen nicht Janukowitsch stand, sondern jemand von der neuen Koalition“, sagt Paet.

Die Geschichte des Machtwechsels in der Ukraine müsse nun neu geschrieben werden, sagen jetzt kremlfreundliche Medien. Wie das aus Paets Telefonat gefolgert werden kann, bleibt unklar. Genauso wahrscheinlich wäre es, dass die Scharfschützen der Polizei auch Opfer in den eigenen Reihen in Kauf nahmen – die meisten Toten waren Demonstranten.

„Olga“ ist die Maidan-Aktivistin Olga Bogomolets, die als Ärztin damals Opfer versorgte. Sie stellte nun klar, sie habe Paet gar nicht gesagt, was dieser ihr zuschreibt. „Ich sah nur Protestler. Ich weiß nicht, was für Wunden Militärleute hatten“, zitiert sie der britische Reporter Damien McElroy. Man könne aus den Wunden nicht auf die Tatwaffen und schon gar nicht auf die Täter schließen. Zu behaupten, die Opposition stecke hinter dem Massaker, „ist nicht richtig“.

Die bisher einzige genaue Untersuchung zu den Tatwaffen hat „Armament Research“ aus Australien durchgeführt. Demnach handelt es sich um Nachbauten Schweizer Präzisionsgewehre, die 2012 vor der Fußball-EM an Spezialeinheiten des Kiewer Innenministeriums geliefert worden waren. D. J.