: Reich wie Kruppstahl
Tarifkonflikt in der Stahlbranche wird härter: IG Metall fordert sieben Prozent mehr Lohn und droht mit Warnstreiks an Rhein und Ruhr. Arbeitgeber schweigen vor der heutigen Verhandlungsrunde
VON MARTIN TEIGELER
Die IG Metall fordert einen „Geldregen“ für Stahlarbeiter. Rund 200 Stahlkocher wollen vor der heutigen dritten Verhandlungsrunde in Gelsenkirchen Geldscheine regnen lassen, um so für ihre Hauptforderung im Tarifkonflikt zu werben: sieben Prozent mehr Lohn. Weil die Arbeitgeber bislang noch kein Angebot vorgelegt haben, ist IG-Metall-Landeschef Detlef Wetzel ungeduldig. „Wir werden sehen, ob die Arbeitgeber an einem weiteren Verhandlungsweg interessiert sind oder Warnstreiks provozieren“, sagte der Verhandlungsführer der Gewerkschaft. Die IG Metall zeigt sich kampfbereit: Am Donnerstag könnten erste Warnstreiks beginnen.
Auf taz-Anfrage wollte beim Arbeitgeberverband niemand verraten, ob heute ein Angebot vorgelegt wird. Nach der zweiten Verhandlungsrunde in der vergangenen Woche hatte Verbandschef Helmut Koch von einer „schwer verdaulichen“ Lohnforderung der IG Metall gesprochen. Die Friedenspflicht für die 85.000 Beschäftigten der Eisen- und Stahlindustrie in NRW, Niedersachsen und Bremen war bereits Ende August ausgelaufen.
„Die Lage in der Stahlbranche ist sehr gut und die Forderung der IG Metall daher berechtigt“, sagt der Volkswirtschaftler Thomas Haipeter vom Institut Arbeit und Technik (IAT) in Gelsenkirchen. Die Industrie mit ihrem Schwerpunkt an Rhein und Ruhr mache „wunderbare Gewinne“ und sei „international konkurrenzfähig“. Ein Lohnzuwachs von mehreren Prozent sei daher nachvollziehbar, so der Ökonom. Auch die IG Metall verweist auf die satten Gewinne der Branche nach Jahren der Umstrukturierungen, Entlassungen und Firmenfusionen. So steuert Deutschlands größter Stahlkonzern ThyssenKrupp auf ein Rekordjahr mit einem Gewinn in Milliardenhöhe zu. Anfang August hatte der Konzern angekündigt, man erwarte für dieses Geschäftsjahr einen Vorsteuergewinn von 2,5 Milliarden Euro.
Doch die IG Metall will die Stahlarbeiter nicht nur an den Profiten beteiligen. Zusätzlich strebt die Gewerkschaft einen neuen Tarifvertrag „Perspektiven für Beschäftigung und altersgerechtes Arbeiten“ an. Weil die Politik in den nächsten Jahren Schluss machen will mit Frühverrentungen und Sozialplänen für ältere Beschäftigte, sollen humane Regelungen für betagtere Stahlarbeiter her. „Wir wollen, dass die Älteren gesund in Rente gehen können und dass es für die Jüngeren neue Arbeit gibt“, sagt Landesbezirksleiter Wetzel. In dem Tarifvertrag sollen deshalb neue Möglichkeiten für „altersgemischte Teams“ und „Formen des Belastungsausgleichs“ geschaffen werden.
IAT-Forscher Haipeter lobt die Tarifpolitik der IG Metall. „Es ist sehr berechtigt, nach Ersatzlösungen für auslaufende Vorruhestandsregelungen zu suchen“, sagt er. Gerade angesichts der harten Arbeitsbedingungen in der Branche sei es notwendig, etwas gegen überalternde Belegschaften zu unternehmen.