: Das Zentrum polnischen Lifestyles
Er ist in keinem Stadtmagazin oder Galerieführer zu finden: Der Privatclub „Miedzy Nami“ – zu Deutsch „Unter uns“ – in Mitte versucht den Berlinern mit Fotografie und Piroggen polnische Kultur nahezubringen. Die Organisatoren betreiben seit Jahren in Warschau erfolgreich ein gleichnamiges Café
Von Nina Apin
Das „Miedzy Nami“ ist schwer zu finden. In einer stillen Seitenstraße der Auguststraße reiht sich ein Altbau an den nächsten. Kein Schild nirgends. Fragen erübrigt sich sowieso, aufgrund des komplizierten Namens. Miedzy Nami spricht sich „miendschi nami“ und heißt auf Deutsch „Unter uns“. Aber wer weiß das schon? In Warschau ist das gleichnamige Café mit Galerie und Kunstverlag eine Institution, in Mitte existiert seit fast zwei Jahren eine heimliche Dependance auf einem umgebauten Industriegelände.
Aus der offenen Tür des kargen einstöckigen Vorbaus dringt Musik und der Duft von Kartoffeln und Vanille. Markus Rademacher, ein großer Mann mit hagerem Gesicht und Designerbrille, lehnt am Türrahmen, raucht eine Zigarette und grinst. „Na, haben Sie hergefunden?“
Rademacher weiß, dass Geheimniskrämerei unverzichtbar ist, um sich in der Berliner Szene ins Gespräch zu bringen. Das Miedzy Nami ist weder in Stadtmagazinen noch in Club- oder Galerieverzeichnissen zu finden. Nur wer zum erlesenen Kreis der Newsletter-Abonnenten gehört, wird über die polnischen Lifestyle-Aktivitäten in Mitte informiert: Vernissagen, Zeitschriftenpräsentationen und Partys im privaten Rahmen – „unter uns“ eben.
Der Ableger des Warschauer In-Treffs versteht sich als Freundeskreis für urbane polnische Lebensart. Die Einrichtung ist schlicht und hell und verströmt stilvolle Gemütlichkeit. Ein Wintergarten mit Sesseln mündet in einen weiten Raum mit groben Dielen, Sitznischen und weißen Wänden, die einige Marokko-Reisebilder des Warschauer Fotografen Tomek Sikora zieren.
Markus Rademacher nimmt an der langen Tafel Platz und reibt sich die Stirn. Er sieht müde aus. „Gestern hatten wir ein Essen für unsere Vermieter und ein paar Freunde, das ging bis vier Uhr“, stöhnt er, sieht dabei aber zufrieden aus. Für den besonderen Anlass hatte er einen Koch aus dem Warschauer Restaurant und ein paar polnische Spezialitäten ins Auto gepackt. „Piroggen, Wurst, Typisches, das man hier nicht bekommt.“ Der Koch verwandelte die Hausmannskost mittels Chili und Pistaziensoße in ein modernes fusion-Gericht, die Gäste waren begeistert.
Die Vermieter, bekannte Architekten, kommen regelmäßig in den Genuss der neuen polnischen Küche – als Dank für die besonderen Konditionen. Der polnisch-deutsche Club darf das Flachgebäude auf ihrem Grundstück so lange zwischennutzen, bis es durch ein Vorderhaus ersetzt wird. Bis dahin zahlt das Miedzy Nami einen symbolischen Euro Miete im Jahr und verköstigt dafür die Nachbarn.
Für den gebürtigen Hannoveraner und Wahlwarschauer Rademacher, 45, und seine Partnerin, die Polin Ewa Moisan, 39, sind die günstigen Räume ein erster Versuch, die Warschauer Erfolgsgeschichte in der deutschen Hauptstadt zu wiederholen. „Seit dem EU-Beitritt gibt es hier plötzlich Interesse an polnischer Kultur“, sagt Rademacher. Ein Ort mit Kunst, Musik und Essen aus Polen passt gut nach Mitte, finden beide.
Das deutsch-polnische Duo, das sich in den 80er-Jahren in der Technoszene Hannovers kennenlernte, hatte schon 1994 in Warschau den richtigen Riecher. Damals waren die Warschauerin, die mit 18 in den Westen abgehauen war, und der Maschinenbaustudent, der nachts in Bars jobbte, noch ein Paar. Sie beschlossen gemeinsam nach Warschau zu ziehen und sich dort ihren Traum von einer eigenen Kneipe zu verwirklichen.
Ein guter Zeitpunkt, wie sich Rademacher erinnert: „Wir waren die Ersten. Außer üblen Kaschemmen mit Plastikmöbeln und Besoffenen gab es nichts, wo man hingehen konnte.“ In einer kleinen Straße in der Innenstadt – früher die Drogerie von Moisans Eltern – eröffneten die beiden ein Restaurant mit Barbetrieb und Kunst an den Wänden. Das Miedzy Nami entwickelte sich durch Mundpropaganda zum Treffpunkt der Jungen, Schönen und Kreativen, die nach urbanem Schick dürsteten. Der elegante Laden verkörperte mit seiner Verbindung von polnischem und westeuropäischem Lebensgefühl das neue Gesicht von Warschau, das nicht mehr ostig, sondern international sein wollte. Bei Piroggen und Cocktails trafen sich Models, Filmemacher und DJs, um zu tanzen und Ausstellungen moderner Künstler anzusehen. Zum Gastrobetrieb kam ein Verlag mit Großstadtführern, einem Fotomagazin, Kochbüchern und einer Miedzy- Nami-CD-Reihe.
Nach mehr als einem Jahrzehnt ist für Rademacher Warschau zur Heimat geworden. Er liebt die rasant aufblühende Kunst- und Musikszene, die Entspanntheit und Experimentierfreude der Warschauer. Obwohl er anfangs Schwierigkeiten mit der Sprache und einigen polnischen Eigenheiten hatte: „Unter der Woche war um elf Uhr Feierabend, bei Papstbesuchen durfte kein Alkohol ausgeschenkt werden.“ Zum Glück änderten sich die Gesetze, Verordnungen und Stadtregierungen: Das Miedzy Nami blieb, trotz einer mittlerweile großen Konkurrenz, ein beliebter Großstadttreffpunkt.
In Berlin wollen Moisan und Rademacher eine Verbindung der hauptstädtischen Kulturszenen schaffen. Während sie den Laden in Warschau fest im Griff hat, pendelt er fast jede Woche nach Berlin, um die sporadischen Events in der provisorischen Niederlassung zu organisieren. Langfristig will Rademacher weniger Stress und eine „gesunde Balance“ zwischen Warschau und Berlin, er findet beide Städte auf ihre Weise gleich aufregend. „Für Warschauer Künstler ist Berlin magisch“, sagt er. Dass es bald auch umgekehrt so ist, dazu trägt der auf polnisch und deutsch erschienene Miedzy-Nami-Stadtführer für Berlin bei. Es ist kein Zufall, dass sich zwischen den schicksten Gebäuden, Galerien, Bars und Läden ein Porträt des Szenegastronomen Cookie findet. Auch der hatte immer den richtigen Riecher zur richtigen Zeit.
Infos unter: www.miedzynamicafe.com