: Weiterhin willkürliche Kontrollen
ORDNUNG Bremens Gefahrengebiete heißen jetzt besondere Kontrollorte – sonst ändert sich nix: Die Linke bewertet deren Einrichtung daher trotz deutlicher zahlenmäßiger Reduzierung als unverhältnismäßig
■ In Bremens „Gefahrengebieten“ sind nur verdachtsunabhängige Ausweiskontrollen möglich, in denen Hamburgs darf die Polizei auch Taschen durchsuchen.
■ Am Rembertiring wurden 2013 mit 11.990 die meisten Personen überprüft. Dabei wurden 227 Maßnahmen dokumentiert.
■ In Kattenturm-Mitte kamen auf 46 Kontrollen 65 Maßnahmen.
■ Racial Profiling: Unausgeräumt bleibt der Verdacht, dass Menschen mit dunkler Hautfarbe besonders häufig Ziel der Kontrollen werden.
Bremen soll künftig nur noch 13, statt wie bisher 37, Gefahrengebiete haben. In Bremerhaven bleiben vier von fünf bestehen. Das hat der Senat auf Anfrage der Linksfraktion mitgeteilt. Ein Großteil der Gebiete fällt rückwirkend ab 1. März weg: Darunter das Weserstadion, der Osterdeich, aber auch die temporären von Freimarkt und Osterwiese auf der Bürgerweide.
Die restlichen Bereiche, unter anderen der Hauptbahnhofsbereich, die Diskomeile und große Teile des Ostertorviertels, heißen ab sofort „besondere Kontrollorte“. Sie unterscheiden sich aber weder rechtlich noch praktisch von den bisherigen Gefahrengebieten: Die Polizei kann hier verdachtsunabhängige Ausweiskontrollen vornehmen. Nach wie vor dürfen keine privaten Wohnräume als „besondere Kontrollorte“ ausgezeichnet werden, wohl aber geschlossene Räume wie Kneipen oder Diskotheken. Kristina Vogt, Vorsitzende der Linksfraktion, wertete diese Kontrollen ohne Richtervorbehalt trotz der Reduzierung als unverhältnismäßig: „Von schweren Straftaten ist in der Praxis keine Rede.“
Der Senat folgt in seiner Stellungnahme dem Niedersächsischen Sicherheits und Ordnungsgesetz. Demnach sei für die Einrichtung eines besonderen Kontrollorts keine konkrete Gefahr erforderlich.
Besonders betroffen von den Kontrollen sind Menschen mit Migrationshintergrund und Wohnungslose. Die polizeiliche Auswertung nennt am Bahnhof „Bettler, Alkoholiker, Punker, etc.“ als kontrollierte Personengruppen und fasst diese unter „Unordnung“ zusammen. Der Senat hält die „besonderen Kontrollorte“ nicht nur für ein geeignetes Mittel, um die Kriminalität an den jeweiligen Orten zu reduzieren, sondern auch, um „das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu steigern“.
Bisher sei aber weder differenziert dokumentiert worden, wie viele Straftaten mit Hilfe der erweiterten polizeilichen Eingriffsbefugnis verhindert oder aufgeklärt werden konnten, noch, wie viele Durchsuchungen vorgenommen wurden, so der Senat.
Der verspricht künftig eine zeitliche Befristung der Zonen. Außerdem sollen die Kontrollen statistisch umfassend und nachvollziehbar ausgewertet werden. Alle besonderen Kontrollorte werden ab sofort online bekannt gegeben. Eine „aufwendige Kennzeichnung der Örtlichkeiten“ hält der Senat aber „für nicht erforderlich“.
Häufige, dank der verdachtsunabhängigen Kontrollen aufgeklärte Straftaten sind laut Polizeibericht Körperverletzung, Taschendiebstahl und Betäubungsmittelhandel. Für Vogt ist offenkundig, dass die Kontrollen „gegen Personengruppen eingesetzt werden, die man aus dem öffentlichen Raum verdrängen möchte“. KORNELIUS FRIZ