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Archiv-Artikel

Gewalt unvorstellbaren Ausmaßes

DIPLOMATIE Die UNO warnt davor, über der Krimkrise den Bürgerkrieg in Syrien zu vergessen

Auf der Flucht

■ In Syrien, einem Land mit 22 Millionen Einwohnern, sind nach Angaben der UNO fast 9 Millionen Menschen auf der Flucht. Davon haben sich 6,5 Millionen im Land selbst in sicherere Gebiete gerettet; wenn Kämpfe näher rücken, müssen sie erneut aufbrechen und anderswo Schutz suchen. 2,4 Millionen Syrer haben sich ins Ausland abgesetzt, vor allem in die Nachbarländer Libanon, Türkei, Jordanien, Irak oder nach Ägypten.

■ Wie viele Personen den Kämpfen zum Opfer gefallen sind, ist nicht genau bekannt. Die UNO hat 2013 bei 120.000 aufgehört zu zählen. Andere Quellen sprechen von über 140.000 Toten. Angaben über die Zahl der Verletzten, Gefangenen, Verschwundenen oder Entführten liegen nicht vor. (bs)

BERLIN taz | Die UNO warnt davor, das Schicksal Syriens angesichts der Krimkrise aus den Augen zu verlieren. UN-Flüchtlingshochkommissar António Guterres sagte am Mittwoch in New York, seine größte Sorge sei, dass es in dem Bürgerkriegsland eine „totale Katastrophe“ gebe, weil sich der Blick der internationalen Gemeinschaft nun auf die Ukraine richte.

Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon warnte vor einer militärischen Eskalation in Syrien im Schatten der Entwicklungen in der Ukraine: „Syrien ist jetzt die weltweit größte humanitäre Krise und die größte Herausforderung für Frieden und Sicherheit, wobei die Gewalt unvorstellbare Ausmaße annimmt“, hieß es in einer Erklärung Bans anlässlich des dritten Jahrestags des Beginns der Proteste in Syrien. „Hunderttausende Leben sind verloren gegangen oder wurden zerstört. Und jeden Tag werden weitere Menschen getötet.“ Ban appellierte an die USA und Russland, sich dafür einzusetzen, die Friedensgespräche neu zu beleben, die von Washington und Moskau initiiert worden waren.

Im Januar und Februar dieses Jahres hatten in Montreux und Genf zwei Gesprächsrunden zwischen den Konfliktparteien unter Leitung des UN-Sonderbeauftragten Lakhdar Brahimi stattgefunden, die jedoch ergebnislos zu Ende gingen. Die Teilnehmer konnten sich noch nicht einmal auf eine Tagesordnung einigen. Einen neuen Termin gibt es nicht. Seit Beginn der Gespräche am 22. Januar stieg die Zahl der Toten bei den Kämpfen in Syrien deutlich an.

UN-Diplomaten in New York berichten nach Angaben von Reuters, Brahimi sei zunehmend frustriert darüber, dass Russland und die USA ihre geopolitischen Differenzen in der Krimkrise nicht zurückstellen und sich nachdrücklich für eine politische Lösung in Syrien einsetzten. Im Fokus der internationalen Diplomatie stünde nicht länger das Bürgerkriegsland, sondern die Ukraine. Ein hochrangiger westlicher Diplomat sagte, die aktuelle Ost-West-Konfrontation habe die diplomatischen Aufmerksamkeit für Syrien stark eingeschränkt. Das liegt auch daran, dass für Europa die Zukunft der Ukraine wichtiger ist als die Syriens. BEATE SEEL