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Archiv-Artikel

„Twister“ löst viele Probleme von Twitter

ENTWICKLUNG Dezentral und verschlüsselt – ein Brasilianer lernt aus dem NSA-Skandal

Miguel Freitas forscht an der Katholischen Universität von Rio de Janeiro. Angesichts der sozialen Proteste in Brasilien gegen Korruption und der Enthüllungen über die Spionage von Geheimdiensten weltweit gegenüber ihren Bürgern sah er die Schwachstellen von Mitteilungsdiensten wie Twitter. „Mir wurde klar, dass es gefährlich ist, solche Informationsflüsse in den Händen von einzelnen Firmen zu haben“, sagt Freitas. „Ich suchte nach dezentralen Alternativen, die nicht abgeschaltet werden können, fand aber keine.“

Soziale Medien haben immer eine zentrale Instanz, die die Konten der Nutzerinnen verwaltet. Bei Alternativen wie Diaspora können Nutzerinnen selbst solche Server betreiben. Aber kann man die Server ganz rausnehmen? Kann ein dezentrales Netzwerk so stabil sein, dass alle Informationen auch vorhanden sind, wenn wichtige Teile des Netzes offline sind?

Das Problem, merkte Freitas, war nicht nur lösbar, sondern schon gelöst worden – bei einem ganz anderen Projekt. Die Onlinewährung Bitcoin funktioniert ohne Zentralbank oder ähnlicher Instanz; die Technik „Blockchain“ protokolliert für Bitcoin jede einzelne Transaktion, die es in dieser Währung jemals gegeben hat.

Mit demselben Prinzip registrieren sich nun die NutzerInnen von Twister gegenseitig. In der Praxis sieht das Twitter auffällig ähnlich: Nutzerinnen legen ein Konto an, können anderen Nutzerinnen folgen. Sie können öffentliche Nachrichten schreiben, die höchstens 140 Zeichen lang sein dürfen. Ihre Privatnachrichten sind anders als bei Twitter verschlüsselt.

Der wichtigste Unterschied liegt in der Technik der Vernetzung: Computer, die bei Twister eingeloggt sind, können einen Teil der Inhalte des gesamten Netzwerks speichern und geben sie weiter, wenn sie benötigt werden. Zentrale Speicher sind überflüssig.

Während Twitter in Zeiten großer Nachfrage abstürzen kann, heißt das für Twister: Das Netzwerk wird immer stabiler. Je mehr Nutzerinnen es benutzen, desto mehr Kopien der Daten sind online verfügbar und desto weniger abhängig ist Twister von Einzelcomputern.

Die Zahl der angemeldeten Konten hat 10.000 erreicht. Doch das Programm ist weit entfernt davon, fertig zu sein. Noch gibt es allerlei Fehler: Nachrichten werden nicht korrekt dargestellt, die Followerzahl schwankt unerklärlich, manchmal stürzt das Programm einfach ab. Die Software ist noch nicht einfach zu installieren. Man müsse „Masochist“ sein, um das zu tun, heißt es in den Anweisungen auf twister.net.co. LALON SANDER