: Rechtsausleger werden hoffähig
PARTEI Swoboda fordert Vermerk „ethnischer Zugehörigkeit“ im Pass und Verstaatlichung der Wirtschaft
BERLIN taz | Es ist gerade einmal neun Monate her, da stufte der Jüdische Weltkongress die ukrainische Partei Swoboda (Freiheit) als neonazistisch ein und forderte ein Verbot der Gruppierung. Zuvor hatte das Simon-Wiesenthal-Zentrum den Swoboda-Chef Oleg Tjagnybok sowie dessen Vize Igor Miroschnitschenko auf Platz fünf seiner „Top Ten der antisemitischen und antiisraelischen Schmähungen“ gesetzt. Tjagnybok hatte behauptet, die Ukraine werde von einer „russisch-jüdischen Mafia“ regiert.
Zum Entsetzen nicht nur vieler Ukrainer sitzen in der Übergangsregierung, die seit dem 26. Februar 2014 im Amt ist, fünf Vertreter des Rechtsauslegers. Sie sind für Bildung, Ökologie, Landwirtschaft und Verteidigung zuständig. Der neue Vize-Regierungschef Alexander Sych wird bereits seit Längerem von Menschenrechtsorganisationen kritisiert, weil er eine massive Verschärfung des Abtreibungsrechts fordert.
Die Partei Swoboda, die heute 15.000 Mitglieder hat und auch gute Beziehungen zur NPD unterhält, wurde 1991 gegründet. 2009 erreichte sie bei den Kommunalwahlen im westlichen Gebiet Ternopil 34,7 Prozent der Stimmen. Ternopil ist neben den beiden benachbarten Gebieten Lwiw und Iwano-Frankiwsk eine der Hochburgen der Partei. Bei den Parlamentswahlen im Oktober 2012 kam Swoboda landesweit auf 10,4 Prozent der Stimmen (zwischen 30 und 40 Prozent in den drei westlichen Gebieten) und erhielt 37 von 450 Sitzen im Parlament in Kiew.
In ihren Programmen fordert Swoboda, die neben der Partei Udar von Exboxweltmeister Vitali Klitschko und der Vaterlandspartei der früheren Regierungschefin Julia Timoschenko eine tragende Rolle auf dem „Euro-Maidan“ spielte, unter anderem die Einführung des Merkmals „ethnische Zugehörigkeit“ im Ausweis sowie die Verstaatlichung aller strategisch wichtigen Wirtschaftsunternehmen. Außenpolitisch fordert die Partei den Status einer Atommacht für die Ukraine und einen Beitritt zur Nato.
Laut jüngsten Meinungsumfragen von Anfang März käme Swoboda bei Parlamentswahlen derzeit auf 4 bis 5 Prozent der Stimmen. Für Parteichef Oleg Tjagnybok, der bei den Präsidentenwahlen 2010 auf 1,43 Prozent kam, sieht es sogar noch schlechter aus. Ihm würden nur 3,7 Prozent der Wähler ihre Stimme geben. BARBARA OERTEL