: Pistorius will kein Abschiebeminister sein
FLÜCHTLINGE 100 Nachtabschiebungen gab es 2013 in Niedersachsen. In ihrer Jahresbilanz steht aber, diese Abschiebepraxis gehöre unter Rot-Grün der Vergangenheit an. Der Innenminister weist Kritik zurück
Den Titel „Abschiebeminister“ mag sich Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) nicht anhängen lassen. Kritik an seiner Abschiebepraxis versuchte er gestern im Landtag in Hannover abzuweisen. Dort hatte die CDU-Fraktion eine Aktuelle Stunde zum Thema beantragt.
Der Anlass war, dass Pistorius auf Anfrage der CDU hatte einräumen müssen, dass 2013 – anders als von Rot-Grün angekündigt – 100 Menschen mitten in der Nacht zur Abschiebung abgeholt wurden. In ihrer offiziellen Jahresbilanz hatte die Landesregierung diese Fälle noch unterschlagen. „Nächtliche Abholzeiten gehören der Vergangenheit an“, heißt es in der Hochglanzbroschüre.
Das sei die „glatte Unwahrheit“, warf der CDU-Beauftragte für Asyl- und Flüchtlingspolitik, Ansgar Focke, Pistorius vor. „Sie spielen mit der Hoffnung der Menschen, das ist menschlich unanständig.“ Auch der FDP-Innenpolitiker Christoph Oetjen rügte, dass „die Wahrheit erst durch eine Anfrage ans Licht kommen musste“.
„Nächtliche Abschiebungen, wie wir sie bislang kannten, gehören der Vergangenheit an“, erklärte Pistorius. Und führte aus, dass Niedersachsens Ausländerbehörden im Gegensatz zur Ära seines Amtsvorgängers Uwe Schünemann (CDU) mittlerweile Abschiebetermine ankündigten, anstatt die Betroffenen mit Polizei und Schlüsseldienst zu überraschen. Außerdem werden Familien grundsätzlich nicht mehr getrennt abgeschoben. Es gäbe aber Fälle, „in denen wir nicht verantwortlich sind und nicht so handeln können, wie wir wollen“, sagte er.
Um solche Fälle habe es sich bei 83 der 100 Nachtabschiebungen gehandelt, so Pistorius. Das seien meist innereuropäische Abschiebungen nach der Dublin-Verordnung der EU gewesen, für die nicht Niedersachsen, sondern der Bund zuständig sei. Vor allem die Zahl der Dublin-Abschiebungen sei von 120 im Jahr auf 2012 auf 301 im Jahr 2013 gestiegen. Bei den Abschiebungen, für die niedersächsische Behörden zuständig seien, „nutzen wir den Spielraum weitestmöglich aus“, erklärte Pistorius. Deren Zahl sei 2012 von 443 auf 348 gesunken. THA