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Archiv-Artikel

Meiner braucht den größten Beutel

ALLES EASY Die Dokumentation „Berlin: Hasenheide“ versucht sich an einer Rehabilitierung des Neuköllner Parks. Die Filmemacherin Nana A. T. Rebhan ist weniger Stadtethnologin als Werberin für ein besseres Image

Die Nackten sind total stolz, nackt auf der Wiese und im Film über die Wiese zu sein

VON ANDREAS BECKER

Die Hasenheide ist ein Park, den sogar Leute zu kennen glauben, die noch nie hier gewesen sind. Die Regisseurin Nana A. T. Rebhan ist früher täglich durch die Hasenheide gelaufen und hat sich über das Bild oder besser: über das Image des Parks geärgert. Mitte der 2000er sprach anscheinend jeder nur noch über die Dealer in der Hasenheide. Neukölln war noch nicht trendy, sondern von außen gesehn eher abgefuckt.

Schon damals sahen das die Nutzer des Parks natürlich anders. Oder es war ihnen einfach egal. Wenn man seit Jahrzehnten durch diesen Park radelt (so wie ich), kommt einem hier alles irgendwie normal vor. Ich staune in Tempelhof über gemähte Wiesen ohne tiefe Hundekuhlen oder im Tiergarten über gepflegte Rabatten und Bänke, auf denen man sich keine Schraube in den Hintern jagt.

Rebhan griff 2008 zur Kamera. Sie versucht das Image des Parks aufzubessern. Ihrem Dokumentarfilm „Berlin: Hasenheide“ stellt sie das Credo schriftlich voran: „Dieser Film handelt nicht von Drogen. Er wählt einen anderen Blick. Er handelt von Menschen, die trotzdem dort sind, für die der Park Freiraum ist, Wohnzimmer, Balkon.“

Und dann marschieren sie auf, die Zeugen für die nette Hasenheide: Fröhliche Migrantenkinder turnen auf der Wiese, Rastatypen (ohne Joint) spielen Gitarre und Fußball. Ein süßer Sprayer sprayt. Alles absolut easy hier eigentlich, und so irre tolerant: „Trotz der Kopftuchmütter“ liegen die schwulen Nudisten bei 38 Grad nackt auf der Wiese oder im eigenen, selbst mitgebrachten Planschbecken und machen Spermawitze. Im Hasenheide-Werbefilm auch dabei: mehrere Freaks (im amerikanischen Sinne), in Neukölln „Verrückte“ genannt. Der Radfahrer mit den vielen bunten Papageien vorm Lenker, eine Hundehalterin mit komischen schwarzen Klamotten, die sich wie eine original Art-déco-Dame fühlt und glaubt, ihr Windhund, ein russischer Barsoi, höre ihr zu beim Interview. Für ihn wären ihre recht konkreten Ausführungen über die riesigen Kottüten, die sie für sein „Geschäft“ braucht, sicher schmeichelhaft.

Wenn einem, während man einen Film schaut, gleich mehrere Protagonisten peinlich vorkommen, ist das unangenehm. Hier bezeugt es zumindest den behaupteten Freiraumcharakter des Parks. Und nebenbei die beliebte These, es gebe keine Privatheit mehr. Immerhin kriegt das Art-déco-Frauchen von migrantischen Hundebesitzern auf der großen eingezäunten Kackwiese erklärt, man dürfe menschliche Eigenschaften wie „Unanständigkeit“ nicht auf Hunde übertragen: „Unanständigkeit werden Hunde nie erfahren“.

Das Problem des Films ist seine umgekehrte Voreingenommenheit. Er rennt gegen ein Bild an, das für die meisten gar keine Relevanz hat. Und die, für die es existent ist, spart die Autorin sicherheitshalber lieber aus. Sie hätte versuchen können, die Dealer, ihre Kunden, die verängstigten Muttis, die Polizei oder den Bürgermeister Buschkowsky zu befragen. Sie hätte die Abschottung des Minizoos durch hohe Zäune zeigen können oder wenigstens eine Bullenwanne, die im Park hinter den Dealern herrast. Oder sie hätte die Frage stellen können, was an Dealern so bedrohlich ist, wenn man vor Getränke Hoffmann keine Angst hat. Stattdessen erklärt eine naive Hundehalterin das Dealerproblem mit Kämpfen zwischen Türken und Arabern.

Autoscooter, Autobahn

Und wo wir gerade dabei sind, was hier alles fehlt: Der Rummel, der jedes Jahr im Mai in der Hasenheide stattfindet, fiel leider, trotz vorhandenen Materials, der Schere zum Opfer. Die echt duften Betreiber der Hasenschänke werden nicht porträtiert. Irre Pläne wie der einer Autobahntrasse quer durch die Hasenheide werden nicht erwähnt: In dem merkwürdigen Graben, in dem die Maientage ihre Autoscooter aufbauen, wollte die damals regierende Beton-SPD die Autobahn zum Kreuz Oranienplatz bauen, aber das bleibt ausgespart. Das gilt auch für die Neue Welt, die es vom Revoluzzertreff zum Aldi-Markt gebracht hat. Von all dem nichts. Stattdessen Nackte, die sich mit Wasser einsprühen und total stolz sind, endlich nackt nicht nur auf der Wiese, sondern auch im Film über die Wiese zu sein.

Und nette folkloristische Hindus. Einer der Herren des neuen Hindutempels neben der Neuen Welt sucht noch Sponsoren. Er wäre auch bereit, einen Teil des Tempels nach ihnen zu benennen. Buschkowsky taucht am Ende doch noch auf. Der Neuköllner Bürgermeister hat einen Punkt auf der Stirn, wegen der Hindus. Er hofft, „dass alle den Bezirk so schön zeigen, wie er ist“. Das versucht dieser Film mit ganz viel gutem Willen.

■ „Berlin: Hasenheide“. Regie: Nana A. T. Rebhan, Deutschland 2010, 72 Min.