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Archiv-Artikel

„Aber natürlich hilft das Gutachten“

Mike Niederstraßer vom Aktionsbündnis gegen Studiengebühren zu der Expertise von Ludwig Kronthaler

taz: Herr Niederstraßer, bereiten Sie schon die Klageschrift vor? Das neue Gutachten liefert Ihnen ja ein ganzes Bündel von Argumenten, warum Studiengebühren in ihrer jetzigen Form juristisch nicht haltbar sein könnten.

Mike Niederstraßer: Dass wir klagen wollen, war ohnehin beschlossen. Aber natürlich hilft uns das Gutachten. Wir werden einige Argumente aufnehmen.

Hessen und Nordrhein-Westfalen haben gerade eine Art „Geld-zurück-Garantie“ eingeführt. Wenn Studierende glauben, dass ihre Gebühr nicht in eine bessere Lehre einfließt, können sie ein Schiedsgericht einschalten und das Geld zurückfordern. Ein guter Kompromiss?

„Geld-zurück-Garantie“ ist doch nur ein populistisches Schlagwort. In Wahrheit ist das gar keine Garantie. Die Hochschulen können den Studierenden diese Option gewähren – sie müssen es aber nicht. Ein einklagbares Recht gibt es nicht. Und wie soll das im Einzelfall entschieden werden? Soll der Studierende in der Bibliothek die neu angeschafften Bücher nachzählen? Eine solche Regelung ist doch Augenwischerei. Im Grunde ist allen klar, dass Studiengebühren in den meisten Fällen nicht für eine bessere Lehre eingesetzt werden.

Haben Sie verlässliche Daten, wie sich Gebühren in der Praxis auswirken?

Aus Deutschland liegen noch kaum Daten vor, dafür ist das Thema zu frisch. Wir kennen aber Erhebungen aus Österreich, das schon länger Gebühren eingeführt hat. Sie zeigen: Dort studieren nun weniger Kinder aus einkommensschwachen Familien. Das ist ja gerade das Gegenteil von dem, was wir in Deutschland erreichen wollen! Zudem zeigen Studien, dass hierzulande schon jetzt finanzielle Gründe das Hauptmotiv sind, ein Studium abzubrechen.

Gibt es nicht auch positive Effekte der Gebühren? Oft wird angeführt, sie würden die Studiendauer verkürzen.

Empirisch gibt es dafür keinen Beleg. In Österreich etwa ist die Studiendauer nicht gesunken. Das ist nur logisch. Denn jetzt müssen ja viel mehr Studierende nebenher jobben. Die Kluft verbreitert sich: Die Kinder wohlhabender Eltern können ungestört studieren – und der Rest reibt sich zwischen Hörsaal und Nebenjob auf.

INTERVIEW: COSIMA SCHMITT