: De Fischer un sin Nix
HIPPEN EMPFIEHLT In „Ondine –Das Mädchen aus dem Meer“ von Neil Jordan wird der alte Mythos von der Wassernixe Undine in Irland nach Irland verpflanzt
VON WILFRIED HIPPEN
Neil Jordan ist ein Romantiker. Selbst wenn er in „The Crying Game“ an der Oberfläche vom Nordirland Konflikt und der IRA erzählt, ist es die darunter liegende Liebesgeschichte mit ihrer subversiven Wucht, die den Film unvergesslich macht. Filmtitel wie „Mona Lisa“, „The Miracle“ oder „In Dreams“ machen deutlich, dass er eher an Fantasien als an Realitäten interessiert ist. Nicht umsonst begann er seine Karriere beim Film mit Arbeiten an dem Drehbuch von John Boormans „Excalibur“, der auf der Sage von König Arthur basiert. International Erfolg wurde er dann 1984 mit „The Company Of Wolves“, einer überbordende Mischung aus Grimms Märchen, Siegmund Freud und Edgar Allen Poe.
Deshalb ist es auch keine große Überraschung, wenn der irische Regisseur jetzt den Mythos von der Wassernixe Undine nacherzählt. Dieser gehört zwar eher zum Fundus der deutschen Romantik, wurde im 19. Jahrhundert von E.T.A. Hoffman und Albert Lorzing bearbeitet und ist im Fernsehen 1965 so publikumswirksam verfilmt worden, dass im bundesdeutschen kollektiven Gedächtnis lange Undine identisch mit der Schauspielerin Sabine Sinjen war.
Jordan verpflanzt den Mythos keck in die keltische Sagenwelt, in der von den „Selkies“ erzählt wird . Diese sind Robbenfrauen, die an Land ihr Fell verlieren, wenn sie sich in einen Menschen verlieben. Solch ein Wesen glaubt der irische Fischer Syracuse in seinem Netz gefangen zu haben. Außer ihrem Namen „Ondine“ kann oder will sie nichts sagen, und sie versteckt sich von den Blicken aller anderen Menschen. Der einsilbige Eigenbrötler Syracus nimmt sie in seiner abseits gelegenen Hütte auf und plötzlich sind seine Netze voll mit den größten und seltensten Fischen. Die Leute im Dorf beginnen zu reden, die nierenkranke Tochter von Syracuse hat mit ihrem Rollstuhl bald das Geheimnis ihres Vaters gelöst und es entwickelt sich eine Freundschaft zwischen dem zehnjährigen Mädchen und der Meerjungfrau.
Dadurch vermeidet Jordan geschickt den Anschein, dies wäre eine rein männliche Wunschfantasie, denn natürlich ist Alicja Bachleda-Curus schön und jung und sie hat oft wenig oder nasse Kleidung an. Zudem hat sie einen leichten französischen Akzent, und man weiß ja, wie der auf Männer wirkt. Auch deswegen geht Syracuse oft zum Priester des Ortes, den Jordans Stammschauspieler Stephen Rea sehr skurril und unterhaltsam angelegt hat. Abgesehen von diesen komödiantischen Einschüben erzählt Jordan eher atmosphärisch. Im dritten Akt, wenn er eher halbherzig versucht, die märchenhafte Geschichte in einen eher konventionellen Thriller um Mädchenhandel und russische Gangster zu führen, wird deutlich, dass er nur wenig Interessen an der „vernünftigen“ Auflösung des Geheimnisses hat. So setzt er in den letzten zehn Minuten beinah seinen Film noch in den irischen Küstensand, aber die Qualitäten eines Filmes bemessen sich ja auch darin wie viel man dem Regisseur verzeiht.
Denn im Grunde malt Jordan hier mehr die mythische Grundsituation aus als dass er eine neue Geschichte von der Meerjungfrau erzählt. Und kein Kameramann kann zur Zeit Stimmungen so poetisch und nuanciert in Bildkompositionen umsetzten wie der Kameramann Christopher Doyle, der bislang überwiegend in Asien gearbeitet hat und zum Beispiel den Filmen von Wong Kar-Wie ihre elegische Eleganz gab. Hier arbeitet er mit Nebel, der irischen Küste und der See. Und auch weil Colin Farrell als der störrisch stoische Syracus mit wildem Haar und sanftem Blick solch einen schönen romantischen Helden abgibt, läst man sich gerne auf diese mythischen Träumereien ein .