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Archiv-Artikel

Stämme sollen gegen al-Qaida kämpfen

JEMEN Die Regierung in Sanaa will Milizen aufstellen, ausrüsten und bezahlen, damit diese gemeinsam mit dem Militär gegen militante Islamisten vorgehen. Ihnen bietet das Hinterland ein ideales Rückzugsgebiet

KAIRO taz | Wenn es im Irak funktioniert hat, warum dann nicht im Jemen? Die Regierung in Sanaa will jetzt Stammesmilizen gegen al-Qaida rekrutieren. Sie ließ den Gouverneur der jemenitischen Provinz Schabwa, Ali Hassan al-Ahmadi, am Montag die neue Strategie verkünden. Rekrutiert wurden Teile des Awalik-Stammes für die Zusammenarbeit mit dem Militär. Das Stammesgebiet ist Operationsgebiet mehrerer Al-Qaida-Kader.

Aus Stammeskreisen wurden weitere Details bekannt. 2.500 Stammesangehörige wurden in Gruppen eingeteilt und mit leichten Waffen ausgerüstet. Sie erhalten eine tägliche Aufwandsentschädigung von 50 Dollar.

Die Idee ist angelehnt an die Erfahrung der US-Truppen im Irak. Sie hatten sunnitische Stammesmilizen rekrutiert, um gegen al-Qaida vorzugehen. Mit gewissem Erfolg: Al-Qaidas Spielraum wurde eingeschränkt.

Zahlreiche Anschläge

Das jemenitische Hinterland bereitet auch internationalen Sicherheitsbehörden spätestens seit dem vereitelten Anschlag auf eine US-Verkehrsmaschine am Weihnachtstag Kopfzerbrechen. Das Attentat war im Jemen geplant worden. Die schwache Zentralregierung in Sanaa und die nur von Stämmen kontrollierten Berge und Wüsten bieten den militanten Islamisten ein ideales Rückzugsgebiet.

Das Militär hatte im September mehrere Offensiven gestartet und die Kleinstadt Hawta in der Provinz Schabwa belagert, in der sich Al-Qaida-Kämpfer verschanzt hatten. Am Ende rückte die Armee kampflos in die Stadt ein. Die Militanten hatten sich zuvor abgesetzt. Doch die Anschläge Al-Qaidas gehören weiter zur Tagesordnung. „Wir sind in einen Guerillakrieg verstrickt und haben die Schlacht bisher noch nicht gewonnen. Das größte Problem ist die teilweise lokale Unterstützung, die al-Qaida genießt“, erklärte der stellvertretende Sicherheitschef von Mawdia in der Provinz Abyan nach mehreren Anschlägen. Zuvor hatte der mutmaßliche militärische Kopf al-Qaidas im Jemen, Qassim al-Rimi, in einer Audiobotschaft im Internet von einem „Abnutzungskrieg“ gesprochen, in dem sich seine Kämpfer mit der Armee befänden.

Nun sollen die Stammesmilizen den Kampf gegen al-Qaida selbst in die Hand nehmen. Der betroffene Awalik-Stamm besteht aus mehreren Clans. Prominentestes Mitglied ist der in den USA geborene Prediger Anwar al-Awlaki, der als Chefplaner des Weihnachtsanschlags gehandelt wird und sich in dem Stammesgebiet verstecken soll. Er steht auf der amerikanischen „Gesucht – lebend oder tot“-Liste.

Doch nicht jeder ist überzeugt von der neuen Strategie. Hassan Bannan, einer der Awalik-Stammesführer, spricht sich dagegen aus. „Das wird zu Streit zwischen den Stammesmitgliedern und zu einem internen Stammeskrieg führen“, warnt er. Außerdem weiß man im Jemen nie, wer mit wem spielt: die Regierung mit den Stämmen oder die Stämme mit der Regierung.

KARIM EL-GAWHARY