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ESTHER SLEVOGT
Erst waren die Väter dran. Vor vier Jahren hat das Performance-Kollektiv She She Pop in „Testament“ mit den eigenen Vätern und einem Theaterabend Furore gemacht, der vom Mit- und Gegeneinander der Generationen handelte und sich als Ausgangspunkt den misslungenen Deal „Geld gegen Liebe“ aus Shakespeares „König Lear“ setzte. Jetzt wird es unter der Überschritt „Frühlingsopfer“ um Mütter und die Frage gehen, was für Opfer Frauen für die Familie bringen. Sich als Frau für andere aufzuopfern, so die Ausgangsthese, gelte heute als peinlich veraltet. Geht also gar nicht mehr, ist aber vielleicht unverzichtbar?! Die überragende Bedeutung von persönlicher Freiheit und Selbstverwirklichung hat aus Sicht von She She Pop alle Akte des Verzichts und der Hingabe in ein obskures Licht gerückt. Doch sind es eigentlich nicht immer Opfer, die Gemeinschaft stiften und für sie letztlich sogar überlebensnotwendig sind, fragen nun PerformerInnen im Dialog mit den eigenen Müttern. Die Folie, vor der diese Fragen verhandelt werden, ist das berühmte Ballett „Le Sacre du printemps“ von Igor Strawinsky (HAU: „Frühlingsopfer“, Premiere 10. 4., 20.30 Uhr).
Auch der französische Dramatiker Valère Novarina erkundet immer wieder Grenzen, die Ideologien und gesellschaftliche Diskurse um unser Denken ziehen. Im Theaterdiscounter setzt sich nun der Regisseur und Schauspieler Leopold Verschuer mit Novarinas jüngst auf Deutsch erschienenem Text „Homo Automaticus – Der Monolog des Adramelech“ auseinander. Adramelech, lernen wir aus der Vorankündigung, ist in der christlichen Dämonologie der Garderobier Satans, Kanzler der höllischen Regionen und Vorsitzender des hohen Rats der Teufel. In John Miltons berühmtem Höllensturzgedicht „Paradise Lost“ von 1667 erschien er als besiegter Höllenfürst und Moloch, der sich für einen erneuten Krieg gegen den Himmel ausspricht. Das tun wir Erdenwürmer ja seit der Aufklärung eigentlich die ganze Zeit: Krieg gegen den Himmel führen im Namen der Selbstverwirklichung. Klingt also nach letzten Dingen, dieses Projekt, sprich: genau dem, was wir vom Theater erwarten. Oder etwa nicht? (Theaterdiscounter: „Homo Automaticus“, Premiere 11. 4., 20 Uhr).
Von der Liebe und den Schwierigkeiten, die sie uns Selbstverwirklichungsfanatikern auf unseren Ego-Trips immer wieder bereitet, handelt das Stück von Moritz Rinke „Wir lieben und wissen nichts“, das Torsten Fischer im Renaissancetheater inszeniert hat, und zwar mit Judith Rosmair, Gesine Cukrowski, Tonio Arango und Hans-Werner Meyer. (Renaissancetheater: „Wir lieben und wissen nichts“, Premiere 10. 4., 20 Uhr).