: Witz im Anzug
Beim Konzert im Admiralspalast waren Jan Delay und Disko No. 1 stilvollendet gekleidet und auch musikalisch gut aufgestellt. Nur der Humor des Hamburger Deutschrappers hinkt ein wenig hinterher
von CHRISTIANE RÖSINGER
Am Montagabend konnte man die seltene Erfahrung machen, wie sich ein geschätzter Künstler nach einem großartigen Konzert, an einem wunderbaren Ort in toller Stimmung, trotzdem einige Sympathien verscherzt. Jan Delay spielte im Admiralspalast, sein Septemberkonzert in der Arena musste wegen Krankheit verlegt werden, und man konnte nur froh sein darüber. Der frisch renovierte Admiralspalast überraschte durch eine erstklassige Akustik und eine äußerst angenehme Raumatmosphäre. Im Parkett hatte man die Sitze rausgeräumt, auf den Rängen lungerten die älteren Delay-Fans auf den Theatersesseln.
Zunächst kam Jan Delay allein, mit einem großen Ghettoblaster auf die Bühne und machte einen recht müden Witz, dem allerdings im Laufe des Abends noch viele folgen sollten: Seine Musiker, die Band Disko No.1, seien ja von Beruf eigentlich Bundesrichter und hätten letztens in Karlsruhe Berlin den Geldhahn zugedreht – weshalb sie jetzt von Wowi verhaftet worden sind. So weit, so schlecht, hätte dieser Antigag nicht als roter Faden durch die weitere Show geführt. Beim zweiten Stück kamen die Musiker natürlich auf die Bühne, während Wowi angeblich draußen die Scharfschützen postiert hatte, und so ging es weiter.
Zum Glück redete Delay nicht nur, sondern sang auch. Erst „Klar“, dann „Kartoffel“, zwei Stücke von seinem aktuellen Album „Mercedes Dance“. In „Kartoffel“ wird die konsumistische Haltung des Kleinbürgertums, das keinen Style hat, aufs Schärfste angeprangert. Delay selbst und die 12-köpfige Band Disko No.1 traten natürlich stilvollendet auf, die Musiker allesamt in smarten Anzügen, Herr Delay eher leger, mit kleinem schwarzem Hütchen. Die Bläser schmetterten in schönster druckvoller Fülle, das Schlagzeug klang hervorragend, die Sängerinnen schmachteten und Jan Delays meckernde Stimme lag über all dem – das ergab ausgezeichneten Disco-Funk mit raffinierten, messerscharfen Breaks.
Weil aber der Wowi-Scharfschützenwitz beim dritten Mal auch die hartgesottenen Fans langweilte, lag eine leichte Antistimmung in der Luft. „Lass es Jan!“, wollte man ihm zurufen, „die meisten Leute hier mögen Wowi eigentlich, und wenn über ihre Stadt Häme ausgeschüttet wird, halten die Berliner zusammen!“
Die Stimmung besserte sich erst, als „Vergiftet“ und Funkversionen alter Beginner-Songs ertönten. Sehr schön war es anzusehen, wenn die Musiker „Freeze“ spielten, das heißt auf ein Zeichen hin zu spielen aufhörten und ihre Bewegungen einfroren. Dann gab es wieder Berlin-Bashing: Delay erklärte, er möge Berlin nur nicht so, weil es hier keine Berliner gibt, er findet halt Traditionen gut und in einer Stadt sollen Leute wohnen, die wirklich daher kommen!
Oje oje! Wo ist der clevere Jan Delay mit seiner provokanten Haltung und seinem Hamburger Humor geblieben? Mehrere genial zusammengestellte Medleys trösteten aber über die persönliche Enttäuschung hinweg. Da wurde „I like to move it“ von Real 2 Real mit Gloria Estefan, Curtis Mayfield mit Faith Evans verbunden, einige Hiphop- und Pophits der 70er und 80er aufs Schönste verbraten. Als großes Highlight setzte Delay auf Cameos „Word up“ die Reime des alten Kollegen Bo aus dessen „Türlich türlich“. Dann wurden leider, trotz Pfeifkonzerten aus dem Publikum, minutenlang Trompeter-Antiwitze und Gags à la „Wie nennt man einen Elefantenpimmel“? – „Diktiergerät!“ vorgetragen.
Bei der Coverversion von „Seven Nation Army“ von den White Stripes sprang der ganze Palast in die Luft. Und gerade, als man sich mit dem Hamburger innerlich versöhnen wollte, krähte er begeistert ins Mikrofon: „Ey, ich hab grad gehört, die Bullen stehen draußen und wollen räumen, aber wir machen weiter.“ Das Publikum jaulte begeistert auf, und natürlich hätte es Herrn Delay gut gefallen, wenn es wegen seiner Massenpolitisierung noch eine Saalschlacht gegeben hätte. Und so setzte er bei der letzten Zugabe „Irgendwie, Irgendwann“ total subversiv Zeilen wie „Wir lassen die Bullen nicht rein“ in den Originaltext ein.
Draußen auf der Friedrichstraße war von der Polizei weit und breit keine Spur. Wahrscheinlich hatte es nur den Hinweis des Veranstalters gegeben, dass man wegen Lautstärkeproblemen pünktlich Schluss machen müsse. Und so ging man nach einem grandiosen Konzert mit dem Gefühl nach Hause, das Jan Delay, bei allem Talent, doch ein echter Simpel ist.