: Die Rechte macht’s
Boxprofi Wladimir Klitschko verteidigt in New York seinen Weltmeistertitel des Verbandes IBF gegen den US-Amerikaner Calvin Brock durch Knockout. Doch er hat mehr Mühe als erwartet
AUS NEW YORK SUSANNE ROHLFING
Nicht unbedingt beeindruckend, aber souverän erfüllte Wladimir Klitschko seinen Part im Familien-Unternehmen: Der 30-Jährige verteidigte Samstagnacht in New York seinen Titel als IBF-Weltmeister im Schwergewicht – unter den Augen von Bruder Witali, Dustin Hoffman, Mickey Rourke, Boris Becker und Joschka Fischer. Nur Boxlegende Muhammad Ali begrüßten die 14.260 Zuschauer im Madison Square Garden noch enthusiastischer als Witali Klitschko, den ukrainischen Exweltmeister, der seine Karriere als Boxer wegen gesundheitlicher Beschwerden vor einem Jahr beendet hatte. Der von der Parkinson-Krankheit schwer gezeichnete Ali war allerdings schon wieder auf dem Heimweg, als Wladimir Klitschko gegen den US-Amerikaner Calvin Brock in den Ring stieg.
Ali sieht Ali
Ali hatte zugesehen, wie Ali kämpfte und gewann. Nachdem seine Tochter Laila also in der vierten Runde Shelley Burton per technischem K. o. ausgeschaltet hatte, verließ er die Arena, in der er sich 1971 nach einem spektakulären Gefecht Joe Frazier geschlagen geben musste. „Ich bin glücklich, dass ich hier kämpfen und dadurch einen gewissen Touch zur Geschichte bekommen konnte“, bekundete Wladimir Klitschko nach dem eher mäßigen Fight.
Ehrfurcht schwingt mit, wenn der 30-jährige Doktor der Sportwissenschaften das sagt. Ehrfurcht vor großen Namen und großartigen Boxnächten. Er selbst bescherte den Zuschauern Samstagnacht zwar einen Knockout, aber keinen unvergesslichen Abend. „Ich wollte unbedingt beeindrucken“, sagt Wladimir Klitschko später, „das habe ich auch, nur leider etwas zu spät.“ In seinem 50. Profikampf durfte der Amateur-Olympiasieger von 1996 erst nach zwei Minuten und zehn Sekunden der siebten Runde durchatmen: Da krachte der 31-Jährige, bislang in 29 Kämpfen ungeschlagene Brock auf den Ringboden, hart getroffen von Klitschkos rechter Faust, die bislang bei 46 Siegen die Gegner 41-Mal zur vorzeitigen Aufgabe zwang. „Das war nicht sein bester Auftritt“, befand nach dem Kampf auch Klitschkos Trainer Emanuel Stewart, „wir hätten seine Rechte gern früher gesehen.“
Der Weltmeister hatte jedoch Probleme, gegen den als deutlich unterlegen eingeschätzten Herausforderer eine klare Linie zu finden, zu gut war die Deckung von Brock. Und so kam Klitschkos Rechte erst wirkungsvoll zum Einsatz, nachdem in der sechsten Runde ein Cut unter der linken Augenbraue ihm das Blut in die Augen und den Ärger in die Knochen trieb. Erst da zeigte sich, warum dem Ukrainer der Ruf vorauseilt, der beste der vier amtierenden Schwergewichts-Weltmeister zu sein.
Von seinem Ziel, der einzige und wahre Weltmeister zu werden, ist Klitschko nach diesem Sieg aber so weit entfernt wie zuvor. Noch immer gilt es, drei andere Titelträger zu bezwingen. „Egal gegen wen, ich will die Titel vereinigen“, sagt Wladimir Klitschko dann auch, kaum dass seine Wunde am Auge genäht worden war. Die Russen Oleg Maskajew und Nicolai Walujew sowie der frisch gekürte US-Amerikaner Shannon Briggs stehen zu Auswahl.
Der Alte träumt
Witali Klitschko lieh sich derweil kurz den Gürtel des jüngeren Bruders aus, hielt ihn hoch und genoss den aufbrandenden Applaus. Lennox Lewis, ehemaliger Weltmeister und der Mann, der ihm eine von zwei Niederlagen beibrachte, stand daneben und gab dem US-Bezahlsender HBO ein Interview, als ihn Klitschko zum erneuten Duell forderte. „Ich bin zu fett“, lautet die Antwort von Lewis. Klitschko grinste. Er selbst ist nicht zu fett. Er bekämpft die Schmerzen in Knie und Rücken, er will nicht abgeschrieben werden, er spricht von dem „Herzen eines Boxers“. Er sagt: „Ich kommentiere keine Gerüchte.“
Solange sein Körper nicht mitspiele, komme eine Rückkehr in den Ring nicht in Frage. Und wenn er wieder mitspielt? „Dann kann man anfangen, darüber nachzudenken“, sagt Klitschko. Ein Nein hört sich anders an. Er träumt ihn offenbar noch, den einen großen Traum der Brüder. Den Traum, einmal zusammen auf dem WM-Thron zu sitzen.