: Syrischer Reformer hinter Gittern
Dem inhaftierten syrischen Dissidenten Kamal al-Labwani droht eine lebenslange Haftstrafe. Das Regime wirft dem 51-jährigen Arzt, Maler und Schriftsteller vor, er habe ausländische Staaten aufgefordert, Syrien anzugreifen. Doch Labwani setzt sich für gewaltfreie politische Reformen von innen ein. Militärische Interventionen für einen Regimewechsel lehnt er ausdrücklich ab, wie er in Interviews vor seiner Festnahme deutlich machte: „Demokratie kann nicht mit Panzern und Flugzeugen kommen; eine Armee kann eine Regierung, eine Nation und so weiter zerstören, aber sie kann keine Demokratie errichten.“
Labwani sitzt bereits seit dem 8. November 2005 im Adra-Gefängnis in Damaskus hinter Gittern. Er wurde bei seiner Ankunft am Flughafen nach einer Reise in mehrere europäische Staaten und die USA festgenommen. Seine Familie hatte ihm nahe gelegt, nicht nach Syrien zurückzukehren.
Denn der Dissident hatte bereits eine dreijährige Gefängnisstrafe wegen eines „Umsturzversuches“ hinter sich und war im September 2004 nach Verbüßung der Haft wieder freigekommen. Bei seinen Auslandsreisen informierte er Politiker und Institutionen über die politische Lage in Syrien, insbesonders die Menschenrechtssituation.
Labwani stammt aus der syrischen Kleinstadt Zabadani fünfzig Kilometer nördlich von Damaskus, wo seine Familie bis heute lebt. Seine Frau Samar ist Ingenieurin, das Paar hat zwei Töchter und einen Sohn. Labwani studierte an der Universität von Damaskus Medizin. Als Militärarzt erlebte er 1982 das Massaker in der syrischen Stadt Hama, bei dem bis zu 30.000 Menschen ums Leben kamen. Dies bewog ihn, in Opposition zu der herrschenden Baath-Partei zu gehen. Nach dem Tod von Präsident Hafez al-Assad und der Machtübergabe an dessen Sohn Baschar im Jahr 2000 schloss er sich dem „Damaszener Frühling“ an. Diese Bewegung setzte sich für politische Reformen ein. Doch schon im Jahr darauf war es vorbei mit dem kurzen „Frühling der Freiheit“. Zahlreiche Dissidenten, die sich in privaten Debattierforen lose organisiert hatten, wurden festgenommen, darunter auch Labwani. Während seiner ersten Haftzeit trat er in einen Hungerstreik, bis er Schreibzeug und Malutensilien erhielt – verbunden mit der Aufforderung, nur „unverfängliche“ Bilder zu malen. Ein Teil seiner Gemälde wurde von der Gefängnisverwaltung konfisziert. Ende Oktober trat Labwani mit anderen politischen Gefangenen erneut in einen einwöchigen Hungerstreik, um gegen Folter und Unterdrückung der politischen Gefangenen sowie den Terror gegenüber den Angehörigen zu protestieren.
BEATE SEEL