: Sechs Wege aus dem Stillstand
Die Straßen sind zu voll, die Züge zu spät. Welche Alternativen haben Autofahrer und Bahnpendler? Von MANFRED GÖTZKE und KATHARINA HEIMEIER
NRW wartet. An den Bahnsteigen, im Auto auf der Autobahn. 316 Kilometer Stau auf den nordrhein-westfälischen Autobahnen will die BILD-Zeitung am Montag gesichtet haben, allein 60 Kilometer auf der Autobahn A 3 bei Leverkusen wegen einer Baustelle. Und auch bei der Bahn wird gewartet. Auf der ICE-Strecke von Köln nach Hamburg kamen beispielsweise im Oktober 40 Prozent der Züge unpünktlich. Die Gründe für Verspätungen: der herbstliche Laubschmierfilm zwingt die Züge zum langsam Fahren. Außerdem gibt es momentan wegen der zur Weltmeisterschaft aufgeschobenen Streckenarbeiten mehr Baustellen als üblich. Welche Wege führen aus dem Verkehrschaos? Sechs Vorschläge – unterirdische, oberirdische und überirdische.
Rail Cabs
Eine Kreuzung zwischen Bahn und Individualverkehr nennen Paderborner Forscher die Rail Cabs. Per Handy sollen Fahrgäste die Schienentaxis rufen können und ohne Umsteigen ans Ziel gelangen – „eine sehr bequeme Variante“, sagt Erfinder Joachim Lückel von der Projektgruppe „Neue Bahntechnik Paderborn“ der Universität Paderborn. Transportieren könnten die sieben Meter langen Cabs zehn bis 15 Personen oder zwei Tonnen Fracht.
Auch wenn sie nicht schweben sondern auf Schienen laufen, erinnert das Prinzip der Cabs an die Magnetbahn Metrorapid. „In der Schiene wird ein Magnetfeld erzeugt, das die Fahrzeuge mitnimmt“, erklärt Lückel. Laufen sollen sie auf den bestehenden Schienen. Der Nachteil: Bisher fahren die Schienentaxis nur auf einer 600 Meter langen Teststrecke in Paderborn.
Mehr Straßen
Könnte mehr Beton die Lösung für alle Verkehrsprobleme sein? Günter Trunz glaubt ja. Der Leiter der Abteilungen Verkehr und Umwelt des Automobilclubs (ADAC) Westfalen fordert: „Auf allen hochbelasteten Strecken der A 40, A 42, A 43, A 44 und A 45 brauchen wir dringend einen Ausbau auf sechs Spuren.“ Und das seien nur die betroffenen Autobahnen im Ruhrgebiet und in Westfalen. Das Autobahnnetz habe die Grenzen der Belastbarkeit erreicht, klagt Trunz. Mehr Platz für Autos ist da aber auch keine Hilfe, findet Werner Reh, Verkehrsexperte beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). „Straßenausbau ist die dümmste Variante von allen.“ Eine neue Straße erzeugte bis zu 25 Prozent Neuverkehr, den es ohne sie gar nicht gegeben hätte.
Ein Tunnel unter dem Ruhrgebiet
Er war ein Traum des inzwischen verstorbenen FDP-Politikers Jürgen Möllemann: der Super-Tunnel zwischen Dortmund und Düsseldorf. Auf zehn Spuren angelegt sollte er das Kamener Kreuz und Düsseldorf verbinden und so die Autobahnen A 2, A 40 und A 42 entlasten. „Eine Schnapsidee“, sagt BUND-Experte Reh. In einem solchen Tunnel würden die Abgase gebündelt. Er sei zu teuer und Probleme mit der Statik in dem von unterirdischen Bergbauanlagen geprägten Ruhrgebiet programmiert.
Die Mobilcard
Die Hannoveraner haben die Monatskarten für die grenzenlose Mobilität schon. Mit der Mobilkarte des Verbundes Großraum-Verkehr Hannover (GVH) können sie Busse und Bahnen nutzen, Getränke nach Hause liefern lassen und sich für Ausflüge und Transporte so genannte „teilAutos“ mieten. Das könnte auch für NRW-Städte eine Alternative sein, findet BUND-Experte Reh. „Das ist eine Mobilität, die sich nicht selbst blockiert.“
Der Rhein-Ruhr-Express
Ursprünglich sollte er Metrorapid heißen und mit bis zu 400 Stundenkilometern durchs Ruhrgebiet nach Köln schweben. Doch die Vision einer Magnetschwebebahn für NRW wurde 2002 vom damaligen SPD-Ministerpräsidenten Peer Steinbrück begraben. Stattdessen kommt jetzt der Rhein-Ruhr-Express. Vielleicht. Denn das Geld für neue Trassen und schnelle Züge dürfte bei Bund und Land knapp sein. Aber auch ohne komplett neue Strecken auf der Route quer durchs Revier würde der RRX im 20-Minuten-Takt den Bahnverkehr entlasten, sagt Lothar Ebbers vom Fahrgastverband Pro Bahn. Er kritisiert allerdings, dass der Express in kleineren Bahnhöfen wie etwa Benrath oder Wattenscheid nicht halten soll.
Doch auch ein RRX wird sich verspäten, wenn nichts am Streckennetz getan wird. Kleine Korrekturen reichten, so Ebbers. „In manchen Bahnhöfen fehlen schlicht Haltegleise.“ Züge können so nicht überholen. „Geplant ist eine ganze Menge, finanziert ist so gut wie nichts.“
Der Ruhrpilot
Leben mit dem Stau, das ist das Prinzip des Ruhrpiloten. Für das Internetangebot wird an 1.500 Messpunkten im Ruhrgebiet die Verkehrslage gemessen. Auf Autobahnen und anderen Straßen. Im Internet zeigen grüne Streckenabschnitte freie Fahrt, rote Stau, das Portal empfiehlt Alternativen. Außerdem kann man auf der Seite Verspätungszeiten der Bahn abrufen. „Es gibt schon Leute, die sich die Seite auf ihr Handy laden“, sagt Hans Brauser von der Projekt Ruhr GmbH. Ab Anfang nächsten Jahres soll der Pilot auch Stau-Prognosen liefern.