ANDREAS BEHN ZU DEN PROTESTEN IN BRASILIEN VOR DER WM : Die Aufbruchstimmung ist vorbei
Vier Wochen vor Anpfiff hat am Donnerstag der Protest gegen die Fußball-WM in Brasilien begonnen. Im ganzen Land gingen Menschen auf die Straße, um ihrem Unmut über die politischen und sozialen Zustände im Land Luft zu machen.
Aber es waren nicht die Hunderttausende, die im letzten Juni ein politisches Erdbeben auslösten. Am Donnerstag versammelten sich vor allem Aktivisten, Gewerkschafter und linke Splitterparteien – kaum mehr als einige tausend in den Großstädten.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Viele haben Angst vor brutalen Polizeiübergriffen oder keine Lust auf die Randale der Schwarzvermummten, die immer häufiger die Schlagzeilen bestimmen. Die Regierung trägt zur Abschreckung bei: Gegen Unruhestifter müsse konsequent vorgegangen werden, ließ sie wissen, verlor aber kaum ein Wort über prügelnde Polizisten und Tränengasschwaden.
Wichtiger noch: Die Massen sind vielleicht unzufrieden, haben aber keine klaren Vorstellungen, wie die Zustände verbessert werden können. Gegen „korrupte Politiker“ zu sein ist einfach; Veränderungen voranzutreiben nicht. Derzeit wird der Protest von linken Aktivisten und sozialen Bewegungen getragen, denen sich viele nicht zugehörig fühlen.
Und letztlich gilt: Präsidentin Dilma Rousseff hält für die „Copa“ den Kopf hin. Und selbst wenn, auch weil Wahlkampf ist, alles schlechtgeredet wird und die Presse das Land kurz vor dem Zusammenbruch sieht: Die Zustände jenseits der Debatte über die WM sind längst nicht so katastrophal. Die Kritik der WM-Gegner ist zwar berechtigt. Trotzdem lässt sich sagen, dass in Brasilien vieles besser ist als noch vor zehn oder zwanzig Jahren.
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