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Archiv-Artikel

Umstrittene Justizministerin Zustände verändern

Innenminister Ingo Wolf und Schulministerin Barbara Sommer reisten noch am Tag der Tat an den Ort des Schreckens; gestern stattete Jürgen Rüttgers den verletzten Opfern seinen Besuch ab: Auf den Amoklauf von Emsdetten hat die schwarz-gelbe Landesregierung umgehend reagiert und jene Anteilsnahme und Mitgefühl gezeigt, die von ihr zu erwarten ist. Bei den Hinterbliebenen des bestialisch in der Justizvollzugsanstalt Siegburg ermordeten Jugendlichen hat sich hingegen bis heute weder der Ministerpräsident noch sonst jemand aus seiner Regierung persönlich gemeldet. An den Tatort fuhr die zuständige Justizministerin erst vier Tage nach dem Mord. Weitere vier Tage dauerte es, bis Roswitha Müller-Piepenkötter mit der Versetzung des Anstaltsleiters eine erste personelle Konsequenz gezogen hat. Der Arbeitskreis kritischer Strafvollzug hat ihr jetzt „Aktionismus“ vorgeworfen. Darauf muss man erst einmal kommen.

KOMMENTAR VON PASCAL BEUCKER

Tatsächlich hat die gelernte Richterin auf den grausamen Tod eines Menschen, der in ihrem Verantwortungsbereich starb, zu spät und unangemessen reagiert. Das Krisenmanagement der politischen Seiteneinsteigerin war dilettantisch, ihre Informationspolitik desaströs. Das schlechte Bild, das Müller-Piepenkötter in den Tagen nach der unfassbaren Mordtat abgegeben hat, rechtfertigt durchaus die Rücktrittsforderungen der SPD-Landtagsopposition.

Gleichwohl hat es einen mehr als schalen Geschmack, wenn die Sozialdemokraten jetzt die erst seit dem vergangenen Jahr amtierende CDU-Ministerin für die katastrophalen Verhältnisse in den NRW-Gefängnissen verantwortlich machen wollen. Denn Müller-Piepenkötter hat nur übernommen, was SPD-Justizminister angerichtet haben. Worum es nun gehen muss: diese unhaltbaren Zustände schnell und grundlegend zu verändern. Mit oder ohne Roswitha Müller-Piepenkötter. Darin besteht die jetzt von der schwarz-gelben Regierung zu tragende politische Verantwortung.